EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) hat eine Reform des Strommarktes innerhalb der Europäischen Union angekündigt. Auf dem "Bled Strategic Forum 2022" in Slowenien sagte sie am Montag:
"Die in die Höhe schießenden Strompreise zeigen gerade aus verschiedenen Gründen die Grenzen unseres jetzigen Strommarktdesigns auf."
Das System sei für andere Umstände entwickelt worden und nicht mehr zweckmäßig, daher arbeite man nun an einer Notfallmaßnahme und an einer Strukturreform des Strommarktes.
Grund für die stark gestiegenen Energiepreise ist das Merit-Order-Prinzip an der Leipziger Strombörse (RT DE berichtete), wonach sich der Strompreis nach dem teuersten Kraftwerk richtet. Dies gilt derzeit für Gaskraftwerke. Da der Gaspreis deutlich gestiegen ist, schnellen auch die Strompreise in die Höhe. Mit einer Reform wäre es jedoch möglich, den Mechanismus anzupassen, sodass für Verbraucher beispielsweise Strom aus erneuerbaren Energien billiger wird.
Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) hatte Reformen angekündigt, um die Strompreise vom Gaspreis zu entkoppeln. Im heute-journal des ZDF sagte er am Sonntagabend, dass man an einer Lösung arbeite, die Prinzipien lassen sich jedoch "nichts einfach so mit einem Fingerschnips ändern".
Eine Sprecherin aus Habecks Ministerium stellte heute allerdings klar, dass das Merit-Order-Prinzip beibehalten werden soll. Man wolle sich die negativen Auswirkungen auf den Strommarkt ansehen, dies gehe jedoch nur "mittelfristig". Man befinde sich erst am Anfang eines Prozesses, außerdem müsse es vorher "umfangreiche" Beratungen mit EU-Partnern und der EU-Kommission geben. Vor dem nächsten Winter seien keine Änderungen zu erwarten.
"So schnell kann es nicht gehen."
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach sich bei einem Besuch in Tschechien für Maßnahmen zur Senkung des Strompreises aus. Er erklärte, dass sich die gegenwärtigen Strompreise nicht durch die Herstellungskosten rechtfertigen ließen.
"Und deshalb ist es notwendig, dass wir strukturelle Veränderungen vornehmen, die dazu beitragen, dass die Preise zügig wieder sinken und ein ausreichendes Angebot vorhanden ist."
Zuvor hatte sich Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) dafür ausgesprochen, den Handel an der Strombörse notfalls auszusetzen. Selbst Bundesfinanzminister Christian Linder (FDP), der bisher eine "freie" Marktwirtschaft favorisiert hatte, entdeckte auf einmal, dass der Strommarkt in eine Schieflage geraten ist, und kritisierte gegenüber dem Boulevard-Blatt Bild am Sonntag, dass die Gewinne der Energiekonzerne zulasten der Verbraucher Milliarde um Milliarde steigen:
"Am Strommarkt hat die Politik einen Profit-Autopiloten eingerichtet", sagte Lindner.
Auch beim nächsten Sondertreffen der für Energie zuständigen Minister in der EU am 9. September soll das Thema beschlossen werden. Länder wie Spanien, Griechenland und nun auch Österreich fordern schon seit Monaten Eingriffe in den dysfunktionalen Markt, waren bisher aber unter anderem am Widerstand aus Deutschland gescheitert.
RT DE hatte bereits in der vergangenen Woche in einer Analyse über die Schieflage am Strommarkt aufgrund des Merit-Order-Prinzips berichtet. Auffallend ist, dass kurz nach der Ankündigung von der Leyens auch in den Mainstream-Medien verstärkt Artikel veröffentlicht werden, die die Problematik thematisieren. Zuvor war in Deutschland nur sehr spärlich darüber berichtet worden.
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