Eine Analyse von Alexander Nepogodin
Die narrative Kontrolle des Westens läuft immer dann zur Höchstleistung auf, wenn es drum geht, Schuldzuweisungen abzuwehren, Schuldige zu entlasten oder sicherzustellen, dass keine unbequeme Fragen gestellt werden.
Kurz nachdem die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, Taiwan heimgesucht hatte, warf die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, dem Botschafter der USA in China, Nicholas Burns, ein "verlegenes Schweigen" bezüglich dieser "unverschämten Nummer" vor.
Das Schweigen war ein ziemlicher Kontrast gegenüber der lauten Stimme, die Burns nur einen Monat zuvor, auf dem Weltfriedensforum in Peking, erhoben hatte, mit der er forderte, dass China aufhören soll, "russische Propaganda" zu verbreiten und die NATO zu "beschuldigen", den Konflikt in der Ukraine entfacht und geschürt zu haben. Er nutzte die Gelegenheit, um den Sprecher des chinesischen Außenministeriums zu beschuldigen, "Lügen über amerikanische Biowaffen-Labore zu verbreiten, die es in der Ukraine nicht gibt".
Aber das war damals. Und heute ist heute, in der "regelbasierten Ordnung" des Westens, wo jede Situation ein neues Regelwerk erfordert. Daher versteht es sich von selbst, dass Burns vorerst auch ein "verlegenes Schweigen" über ein weiteres, potenziell tektonisches Ereignis bewahren wird – über die jüngste, noch vernichtendere Erklärung des russischen Verteidigungsministeriums vom 4. August zu US-amerikanischen Biolaboren in der Ukraine. Generalleutnant Igor Kirillow, der Chef der russischen Streitkräfte für Strahlen-, chemische und biologische Abwehr, sagte, Moskau prüfe auch die Möglichkeit einer Beteiligung der USA an der COVID-19-Pandemie und untersuche US-finanzierte Forschung an verschiedenen anderen Krankheitserregern.
Der Grund für das Schweigen von Burns ist nicht schwer zu erraten. Die ernsthaften Anschuldigungen in der Präsentation von Kirillow könnten, wenn sie ordnungsgemäß untersucht werden und sich als wahr erweisen, als Anklage – aufgrund der Nutzung der Ukraine als riesiges Testgelände für Krankheitserreger – gegen die USA dienen.
Und da die westlichen Medien dies weitgehend ignoriert haben, wird der Botschafter sicherlich nicht auf die Idee kommen, dazu eine Erklärung abzugeben, die dann zitiert werden müsste, womit die Aufmerksamkeit auf das Problem gelenkt wird.
Und jetzt – nachdem Twitter den Account des russischen Außenministeriums vorübergehend gesperrt hat, weil man es gewagt hatte, wichtige Teile der Medienpräsentation von Kirillow über die möglichen Ursprünge von COVID-19 zu zitieren – müssen Burns und Co. überhaupt nichts sagen. Wenn etwas durch die sozialen Medien in die Vergessenheit verbannt wird, dann ist es, als wäre es nie passiert.
Das ist die Vorgehensweise der westlichen Eliten – es kommt nicht auf die Wahrheit an, sondern darauf, die Erzählung erfolgreich so zu jonglieren, dass sie in den Köpfen der Menschen keinen Raum für Zweifel lässt. Mit anderen Worten: Sie denken, sie können tun, was sie wollen.
Vielleicht sollten wir uns an die westliche Formel nach dem Kalten Krieg erinnern, die in den aufregenden Tagen der frühen 2000er Jahre angekündigt wurde – einer Ära, die von einem berühmten US-amerikanischen politischen Zitat geprägt wurde, nämlich jenem von Karl Rove: "Wir sind jetzt ein Imperium, und wenn wir handeln, dann schaffen wir unsere eigene Realität."
Oder wie es Tony Blairs Politikberater, Robert Cooper, im April 2002 nonchalant auf den Seiten des Guardian formulierte: "Die Herausforderung für die postmoderne Welt besteht darin, sich an die Idee der Doppelmoral zu gewöhnen. Unter uns arbeiten wir auf der Grundlage von Gesetzen und einer offenen kooperativen Sicherheit. Aber wenn wir es mit altmodischeren Arten von Staaten, außerhalb des postmodernen Kontinents Europa zu tun haben, müssen wir zu den raueren Methoden einer früheren Ära zurückkehren – Gewalt, präventive Angriffe, Täuschung, was auch immer notwendig ist, um mit denen fertig zu werden, die noch in der Welt des 19. Jahrhunderts leben. Unter uns halten wir uns an die Gesetze, aber wenn wir uns im Dschungel bewegen, müssen wir auch die Gesetze des Dschungels anwenden."
Doch auch zwei Jahrzehnte später, trotz des Aufstiegs sowohl Chinas als auch Russlands und der unaufhaltsamen Entwicklung der Welt zur Multipolarität, sterben imperiale Gewohnheiten nur schwer aus – normalerweise erst dann, wenn sie an die Wand der Realität klatschen, wie es derzeit in der Ukraine geschieht und in Taiwan beobachtet wird. Aber gehen wir einen Moment zurück zu Burns. Für ihn ist es alles andere als neu, im "Dschungel" mit zweierlei Maß zu messen. Vor seiner jetzigen Aufgabe, dem chinesischen Drachen, in Bezug auf Taiwan und den russischen Bären, in Bezug auf so ziemlich alles, den Finger ins Auge zu stoßen, zeichnete er sich als voreingenommener Apologet der illegalen Aggression der NATO gegen Serbien in den 1990er-Jahren aus, die zur einseitigen Abspaltung des Kosovo führte.
Burns erklärte den Medien 2009, als er noch US-Unterstaatssekretär für politische Angelegenheiten war, dass die Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo tatsächlich Ausdruck des "Interesses der USA an guten Beziehungen zu Serbien" gewesen sei. Wird er sich zu gegebener Zeit ähnlich gegenüber China im Falle von Taiwan äußern?
Außerhalb des Westens ist dies für Burns und seinesgleichen immer noch ein Dschungel und die "Eingeborenen" sind entsprechend zu behandeln. In Burns Denke war der Taiwan-Aufenthalt von Pelosi und das Versprechen, die Insel weiterhin zu unterstützen, eigentlich ein Zeichen für Amerikas Interesse an guten Beziehungen zu China.
Eine weitere bemerkenswerte angloamerikanische Persönlichkeit, die vor dem Hintergrund des Kosovo-Komplexes zu betrachten ist, stellt der Engländer Geoffrey Nice dar, der als Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) internationale Bekanntheit erlangte. Dessen einziger Zweck bestand darin, die Schuld für die vom Westen inspirierte blutige Zerschlagung dieses multinationalen Landes allein auf die Serben abzuwälzen. Neben seiner selektiven Strafverfolgung des ehemaligen serbischen Präsidenten Slobodan Milošević wegen "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" umfasst das Vermächtnis von Nice beim ICTY auch Anschuldigungen gegen ihn, Beweise im Zusammenhang mit dem Handel mit menschlichen Organen im Kosovo vernichtet zu haben.
Nice bot später dem ehemaligen Präsidenten des Kosovo, Hashim Thaçi, einer der Hauptfiguren nicht nur des Menschenhandels, sondern auch der angeblichen "Zwangsentnahme" menschlicher Organe von noch lebenden, meist serbischen Gefangenen, seine juristischen Dienste an, wie in einem beeindruckenden Bericht vom Europarat 2011 mit dem Titel "Unmenschliche Behandlung von Menschen und illegaler Handel mit menschlichen Organen im Kosovo" beschrieben wurde. Der Bericht zitierte auch Behörden für die Drogenbekämpfung aus "mindestens fünf Ländern", die berichteten, dass Thaçi "die gewaltsame Kontrolle über den Handel mit Heroin und anderen Betäubungsmitteln ausübte".
Der anschließende Versuch von Nice, den Bericht zu diskreditieren, wurde jedoch von der amerikanischen Journalistin Diana Johnstone brillant seziert und als jüngster Versuch eines Vertreters "selbstgerechter westlicher Demokratien" entlarvt, Privilegien in einer "Kultur der Straflosigkeit" ausschließlich für sich selbst und ihre Kunden zu reservieren. Natürlich müssen die Kunden im "Dschungel" immer noch für den kaiserlichen Schutzschirm der "Doppelmoral" bezahlen. Am Ende soll Nice Thaçi beschuldigt haben, ihm "fast eine halbe Million Euro" für seine Arbeit für die Kosovo-Regierung vorenthalten zu haben.
Sacharowa beschrieb erst kürzlich ausführlicher das "Haus des Schreckens", dem Thaçi angeblich vorstand: "Das Kosovo ist das Territorium der illegalen Organtransplantationen. Menschen wurden lebendig seziert, innere Organe entnommen, um sie an Menschen im Westen zu verkaufen. Im Westen standen sie Schlange für diese Organe. Und alles begann, nachdem sich das Kosovo in ein schreckliches schwarzes Loch verwandelt hatte, in dem Menschen verschwanden, nicht nur um getötet zu werden, sondern getötet wurden, um ihnen ihre inneren Organe zu entnehmen und zu verkaufen."
Um Franklin D. Roosevelts unsterbliche Worte zu paraphrasieren, mit denen er die US-Unterstützung für den nicaraguanischen Diktator Anastasio Somoza García rechtfertigte: "Er mag ein Hurensohn sein, aber er ist der Hurensohn des Westens."
Alexander Nepogodin ist Politologe und politischer Analyst.
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