Laut der New York Times (NYT) werden beim ukrainischen Militär jene, die willig in den Kampf ziehen möchten, übergangen und stattdessen die Unwilligen eingezogen. Kiews "intransparente und willkürliche" militärische Rekrutierung, die zur Einberufung von dienstunwilligen Soldaten führt, würde bereits die Moral der ukrainischen Truppen im Kampf gegen Russland beeinträchtigen, so die Zeitung.
Es gebe Anzeichen dafür, dass nach fünf zermürbenden Monaten des Krieges innerhalb des ukrainischen Militärs das Gefühl, eine geschlossene Einheit zu sein, an den Rändern zu bröckeln beginne. Das schrieb die Zeitung in einem Bericht vom 25. Juli. Einige Soldaten seien unglücklich darüber, dass sie bereits "einen langen und harten Dienst" hinter sich haben, während viele andere es geschafft hätten, dem Dienst fernzubleiben, hieß es weiter.
"Es gibt niemanden, der uns ersetzt. Es gibt zu wenig Leute. Es ist psychologisch sehr schwer für die Jungs", kommentierte ein ukrainischer Soldat, der monatelang gekämpft hat. Bei den Truppen Kiews herrsche auch "Enttäuschung" über das Wehrpflichtsystem des Landes, das "einige, die kämpfen wollen, aus bürokratischen Gründen abweist, während andere aufgenommen werden, die nicht willens sind zu kämpfen und zudem unqualifiziert sind", berichtete die NYT.
Einige ukrainische Kommandeure hätten sich darüber hinaus beschwert, dass "die Einberufung von Männern, die nicht bereit sind zu kämpfen, die Moral bei jenen senkt, die sich freiwillig gemeldet haben", fügte die Zeitung hinzu. Zudem erinnerte die New York Times daran, dass die Kiewer Polizei im Juni bekannt gegeben hatte, sie habe zwei Nachtclubs in der Hauptstadt wegen Verstoßes gegen eine Ausgangssperre durchsucht und mehr als 200 männliche Partygänger zur Aushebung vorgeladen.
Das erzürnte Oberfeldwebel Waleri Markus vom 47. Bataillon, der auf Facebook schrieb, er sei "empört", weil der Militärberuf "auf das Maß einer Bestrafung für diese Dreckskerle reduziert wird." In seinem Beitrag kritisierte Markus das "chaotische Einberufungssystem" der Ukraine und argumentierte, dass schlecht ausgebildete und unmotivierte Soldaten das Leben anderer Kameraden gefährdeten. Er nannte auch Fälle von Alkoholismus und andere beunruhigende Probleme unter den Neuankömmlingen.
Die ukrainische Regierung, die allen Männern zwischen 18 und 60 Jahren die Ausreise verboten hat, begann inmitten des Konflikts mit Russland massive Rekrutierungsmaßnahmen einzuführen. Dazu gehören unter anderem Rekrutierer, die auf offener Straße und an anderen öffentlichen Orten Vorladungen verteilen. Die Behörden behaupten zwar, dass nur diejenigen vorgeladen würden, die bereit sind, dem Militär beizutreten. Augenzeugen berichten jedoch, dass dies in vielen Fällen nicht der Fall sei.
Inmitten dieser groß angelegten Rekrutierungsmaßnahmen wurden Vorwürfe laut, sie würden intransparent und willkürlich durchgeführt und verstießen gegen Vorschriften der Regierung, so die NYT. Und die Zeitung berichtete weiter, dass dies nicht selten "zu einem Katz-und-Maus-Spiel zwischen Rekrutierern und Männern führt, die versuchen diesen aus dem Weg zu gehen."
Fast 27.000 haben bereits eine Petition auf der Webseite des ukrainischen Präsidenten unterzeichnet, in der Wladimir Selenskij aufgefordert wird, die Zustellung von Vorladungen an öffentlichen Orten zu verbieten und ein transparentes Verfahren für die Einberufung von Dienstpflichtigen einzurichten.
In einem Bericht von Ende Juni schilderte RT, dass Kiew Menschen ohne angemessene medizinische Untersuchungen an die Front schicke und ihnen nur wenige Tage der grundlegendsten Ausbildung gewähre. Die Reihen des ukrainischen Militärs, so der Bericht, würden nicht nur mit Wehrunfähigen, sondern auch mit aus den Gefängnissen entlassenen Sträflingen aufgefüllt.
Dieser Bericht enthüllte zudem, dass Ukrainer in den sozialen Medien bereits Gruppen gebildet haben, wo die Standorte der Rekrutierer in Echtzeit geteilt werden. So sollen diejenigen gewarnt werden, die versuchen, eine Begegnung mit ihnen zu vermeiden. Auch der Artikel der NYT erwähnte derartige Gruppen im Internet.
Laut New York Times haben die ukrainischen Verluste in diesem Frühjahr mit 100 Toten und fast 400 Verletzten täglich ihren bisherigen Höhepunkt erreicht. Viele Ukrainer seien aufgrund dieser hohen Verluste nicht bereit zu kämpfen, andere verweigerten den Dienst aus politischen Gründen, so die Zeitung.
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