Ein Bericht von Daria Platonova
Bei der militärischen Veranstaltung aus Anlass des französischen Nationalfeiertages am 14. Juli marschierten Truppen der Infanterie aus neun Ländern auf – aus Estland, Lettland, Litauen, Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, der Slowakei und der Tschechischen Republik – und liefen als Erste die Avenue des Champs Élysées entlang. Der französische staatliche Radiosender RFI nannte diesen Vorbeimarsch eine "Parade unter dem Banner der Ukraine".
Mit der Einladung der sogenannten Bukarest Neun, die Feierlichkeiten in Paris zu eröffnen, "demonstriert Frankreich seine Unterstützung für diese Länder als Mitglieder der EU und der NATO", betonte das französische Verteidigungsministerium. Und:
"Die Länder der Bukarest Neun sind derzeit besorgt über die russische Aggression und die unmittelbare Bedrohung, die sie darstellt."
Oberst Vincent Mingue, Kommandant einer 800 Mann starken französisch-belgischen Einheit, die in Rumänien stationiert ist, sagte: "Wir müssen auf alle Szenarien vorbereitet sein." Und er erklärte, dass es derzeit keine Annahmen dafür gebe, wie weit der Konflikt in der Ukraine gehen wird. Eine solch vage Aussage eines Obersten der französischen Armee kombiniert mit den sensationellen Äußerungen, die Macron über Frankreichs Übergang zu einer "Kriegswirtschaft" machte, gibt Anlass zur Sorge.
Macht sich Frankreich auf den Weg in den Krieg? Wird die Unterstützung für Kiew mit der Lieferung von Caesar-Haubitzen und Milan-Panzerabwehrraketen enden? Die von Premierministerin Élisabeth Borne angekündigte Überarbeitung des Gesetzes über das militärische Beschaffungsprogramm, vorgestellt im Juli 2018, scheint ein Großprojekt zu sein.
"Jetzt, zu Beginn einer Zeit der militärischen Konflikte, müssen wir in der Lage sein, bestimmte Arten von Ausrüstung schneller und intensiver zu beschaffen. Das ist eine tiefgreifende Umstrukturierung",
sagte Macron Ende Juni bei seiner Beurteilung der Arbeit des französischen Ministers für die Streitkräfte und Chef des Verteidigungsstabs.
Die Strategie von Macron im russisch-ukrainischen Konflikt bestand in der Anfangsphase aus dem Versuch, eine diplomatischen Einigung zu vermitteln, die von zahlreichen Telefonaten mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin begleitet wurde.
Ende April wurde jedoch beschlossen, der Ukraine Haubitzen vom Typ Caesar zu schicken, gefolgt von einer Anzahl von Panzerabwehrraketen vom Typ Milan. Die französische Regierung ging somit von einer humanitären Hilfe in eine militärische Hilfe über. Nach Angaben des Kieler Instituts für Weltwirtschaft hatte Paris seit Beginn der russischen Militäroffensive bis zum 7. Juni militärische Ausrüstung im Wert von über 162 Millionen Euro an die Ukraine geschickt. Interessanterweise entspricht diese maßgeschneiderte Hilfeleistung für Kiew in Form von 155-mm-Haubitzen exakt den Empfehlungen der britischen Lobbyistengruppe Royal United Services Institute (RUSI), die von der Rüstungsindustrie finanziert wird.
In einem im Juli veröffentlichten Sonderbericht mit dem Titel "Die Ukraine im Krieg: Den Weg vom Überleben zum Sieg ebnen" wird darauf hingewiesen, dass westliche Länder ihre Unterstützung für Kiew straffen und von der Lieferung großer Mengen an Waffen, die eine spezielle Ausbildung erfordern, zur Lieferung von spezifischeren Waffen übergehen sollten. So stellten die Spezialisten des Instituts fest, dass die Ukraine insbesondere 155-mm-Haubitzen brauche, "um russische Truppenkonzentrationen zu verhindern und Nachschublinien zu unterbrechen".
"Frankreich unterstützt die ukrainische Armee nicht nur in Form von mündlichen Versprechen, sondern auch durch die Lieferung von Ausrüstung ins Kriegsgebiet, begleitet von einer effektiven Ausbildung und – vor allem – mit einer raschen Entsendung",
sagte Macron im vergangenen Monat während des NATO-Gipfels in Madrid.
Damit hat sich Frankreichs militärische Aktivität von Afrika an die Grenzen zu Osteuropa verschoben. Am 14. Juni besuchte der Präsident französische Soldaten, die auf einem NATO-Stützpunkt in Rumänien stationiert sind. Es folgten Aussagen über die Notwendigkeit, das Militärpersonal des Landes in der Region aufzustocken und das Kontingent in der zweiten Jahreshälfte 2022 sogar mit Panzern vom Typ Leclerc auszurüsten.
Das Image von Macron als Diplomat wurde durch das eines Militärkommandanten ausgetauscht. In den vergangenen zwei Monaten machten sich seine "Militarisierung" und sein zunehmendes Engagement für den Ukraine-Konflikt bemerkbar. Seine früheren häufigen Aufrufe zum Dialog zwischen Russland und der Ukraine sind jetzt regelmäßigen Erklärungen gewichen, in denen behauptet wird, dass "Kiew eine Demokratie" sei – obwohl dies klar nicht der Fall ist – und "Russland den Krieg nicht gewinnen kann und ihn auch nicht gewinnen sollte".
Auf einer Pressekonferenz nach dem Gipfeltreffen der G7 sagte der französische Präsident, dass "die Unterstützung für die Ukraine und die Sanktionen gegen Russland in den kommenden Wochen und Monaten so lange wie nötig und mit der notwendigen Intensität fortgesetzt werden". Seit Anfang Juni fordert er in seinen Reden verstärkt das Verteidigungsministerium auf, das Gesetz über das militärische Beschaffungsprogramm zu überarbeiten.
In einem Interview mit dem Fernsehsender TF1 am 14. Juli sagte Macron zudem, dass Frankreich weiterhin für die Armee rekrutieren müsse und dass diese Bemühungen so weit wie möglich verstärkt werden sollten. Vielleicht hat Macron angesichts seiner sinkenden Zustimmungsraten in der Bevölkerung diesen "General"-Stil für sich eingeführt, um seine Präsidentschaft zu retten.
Unterdessen sei daran erinnert, dass die Beziehungen zwischen Macron und der Armee seit Beginn seiner Amtszeit im Élysée-Palast ziemlich angespannt waren, als er gekonnt die Rolle des cleveren Bankiers und ehemaligen Wirtschaftsministers spielte, indem er sich auf Themen der europäischen Integration konzentrierte. 2017, gleich zu Beginn seiner Amtszeit, hatte Macron einen offenen Streit mit dem damaligen Chef des französischen Verteidigungsstabs, Pierre de Villiers. Der Grund für diesen Streit war die Absicht Macrons, das Militärbudget zu kürzen, was schließlich dazu führte, dass de Villiers zurücktrat.
Nach einer Protestwelle aus dem Verteidigungsministerium hat Macron die Mittel für das Militär letztendlich doch nicht kürzen lassen. Die Generäle, die entschlossen waren, eine langfristige außenpolitische Strategie zu entwickeln, empörten sich hingegen über die von Macron an de Villiers gerichteten Worte "Ich bin Ihr Chef". Die Beziehungen des Präsidenten zur Armee waren offen gesagt nicht gut. Später im Jahr 2021 veröffentlichten mehr als hundert französische Generäle im Ruhestand einen offenen Brief in der konservativen Zeitschrift Valeurs Actuelles, der an Macron gerichtet war und in dem dazu aufgerufen wurde, "das Land vor dem Zerfall zu retten".
"Unsere älteren Kameraden sind Kämpfer, die Respekt verdienen. Sie jedoch haben sie wie Aufständische behandelt, obwohl ihr einziger Fehler wohl darin besteht, dass sie ihr Land lieben und den offensichtlichen Zerfall der Nation betrauern",
hieß es in dem Brief.
Die Militärs betonten, dass sich ein "Bürgerkrieg" zusammenbraue, und forderten den Präsidenten auf, der inneren Sicherheit mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Die Generäle wiesen auf planlose Migrationspolitik von Macron hin, die zu einem Erstarken von islamistischen Kräften führen könnte, und machten auf den möglichen Beginn von "Rassenunruhen" und einer Art "Kampf der Kulturen" in Frankreich aufmerksam – die französische gegen die islamische.
"Die Gewalt nimmt jeden Tag zu. Wer hätte vor zehn Jahren vorausgesagt, dass ein Lehrer auf offener Straße geköpft werden würde?", fragten sich die Verfasser des Briefes. Darüber hinaus behaupteten sie, dass im Falle einer Untätigkeit seitens Macrons auch ein Staatsstreich möglich sei. Der Brief wurde von Marine Le Pen unterstützt, die seit einem Jahrzehnt die Politik der "offenen Grenzen" der vergangenen französischen Regierungen kritisiert und die Generäle aufforderte, sich ihrem Wahlkampf anzuschließen.
Der Konflikt mit dem Militär spitzte sich dann im März 2022 erneut zu, als der Präsident den Chef des französischen Militärgeheimdienstes, General Éric Vidaud, wegen "Mängeln in der Geheimdienstarbeit während der Ukrainekrise" entließ. Unterdessen führte das Fehlen einer einheitlichen koordinierten Strategie in Afrika zum beschämenden Rückzug der Truppen aus Mali, wo die antifranzösische Stimmung mit dem Verbot der staatlich kontrollierten Sender France 24 und RFI ihren Siedepunkt erreichte.
Macron, der bisher immer den Angelegenheiten des Militärs fern geblieben ist und bei zahlreichen Gelegenheiten mit den Spitzen der Armee aneinandergeraten war, hat jetzt aber damit begonnen, sich als Militarist zu positionieren und sogar die Einführung einer "Kriegswirtschaft" zu fordern. Dies ist eine ziemlich interessante und abrupte Wende seiner Persönlichkeit.
Angesichts des Rückgangs an russischen Öl- und Gasvorräten, ganz zu schweigen von den antirussischen Sanktionen, die für die französische Wirtschaft einem "Harakiri" gleichkamen, wie es Marine Le Pen formulierte, erscheint der französischen Bevölkerung die Idee, in eine Kriegswirtschaft überzugehen, alles andere als klug. Die Zustimmungswerte von Macron sinken rasant. In einer kürzlich vom internationalen Meinungs- und Marktforschungsunternehmen IFOP durchgeführten Umfrage gaben 63 Prozent der Befragten an, dass sie die Arbeit des Präsidenten missbilligen.
Zudem deutet das Fehlen einer absoluten Mehrheit für die Partei von Macron im Parlament auf einen Rückgang der Popularität seiner Agenda hin. Es ist äußerst symbolisch, dass es drei von Macron ernannten Ministern nicht gelang, in ihren Wahlbezirken zu gewinnen, nachdem sie jeweils die Unterstützung der Bevölkerung verloren hatten.
In der französischen Politik wird eine Situation, in der der Präsident nicht über die absolute parlamentarische Mehrheit verfügt, als "Kohabitation" bezeichnet. Das bedeutet, dass die Gesetzgebungsagenda des Präsidenten oft nicht vollständig umgesetzt werden kann, wenn sie vom Parlament zurückgewiesen wird.
Eine ähnliche Situation bestand 1988 in der Fünften Republik, als die wichtigsten Gesetzgebungsvorlagen beschleunigt und unter Berufung auf den Artikel 49.3 der französischen Verfassung erzwungen wurden. Der Artikel ermöglichte es der Regierung, die Verantwortung für die Umsetzung eines Gesetzentwurfs zu übernehmen und den Text eines Gesetzes ohne Abstimmung im Parlament anzunehmen. Michel Rocard, der damalige Premierminister, berief sich zwischen 1988 und 1991 insgesamt 28 Mal auf Artikel 49.3. Nach der französischen Verfassungsreform von 2008 wurde die Anwendung dieses Artikels jedoch erheblich eingeschränkt.
Die Wette auf eine aggressive außenpolitische Agenda hat dem Präsidenten einen grausamen Streich gespielt: Der Konflikt in der Ukraine beunruhigt die Franzosen weit weniger als Rentenreformen und die sinkende Kaufkraft. Vor diesem Hintergrund haben sich der Block der linken Neuen Ökologischen und Sozialen Volksunion unter Führung von Jean-Luc Mélenchon und der Partei Rassemblement National von Le Pen, die sich auf die Lösung der schwierigen wirtschaftlichen Probleme des Landes nach der Pandemie konzentriert haben, als attraktiver für die Wähler erwiesen. Die Warnungen von Mélenchon und Le Pen vor einer weiteren NATO-Osterweiterung und eine ausgewogenere Außenpolitik finden auch Unterstützung bei jenem Teil der französischen Bevölkerung, der sich noch die Erinnerung an die "goldenen Zeiten des Gaullismus" und den antiamerikanischen Kontinentalismus von Charles de Gaulle bewahrt hat.
Auch große Skandale haben sich negativ auf die Zustimmungswerte des amtierenden Präsidenten ausgewirkt: Der Verkauf des französischen Konzerns Alstom an die amerikanische Firma General Electrics, der Fall McKinsey sowie der an Fahrt gewinnende Skandal rund um Uber. Alle drei Unternehmen stehen mit amerikanischen Konzernen in Verbindung. Der Fall McKinsey, der am Vorabend der Präsidentschaftswahlen durch einen Bericht des französischen Senats bekannt wurde und der die Affäre eine Bedrohung für die nationale Souveränität bezeichnete. Das amerikanische Beratungsunternehmen arbeitete seit 2017 mit Macron zusammen und hatte bis 2021 einen Auftrag zur Entwicklung einer Reihe von Gesetzen mit einer Vergütung von einer Milliarde US-Dollar erhalten. Im Bericht des französischen Senats hieß es:
"Beratungsunternehmen mischen sich in die öffentliche Ordnung ein, was zwei Fragen aufwirft: Wie sehen wir den Staat und seine Souveränität gegenüber Privatunternehmen und handelt es sich um eine ordnungsgemäße Verwendung öffentlicher Mittel?"
Der jüngste Skandal rund um Uber hat noch einmal die Mission von Macron bei der Förderung von Interessen eines amerikanischen Konzerns offengelegt. Als Wirtschaftsminister unterstützte Macron die Legalisierung der Aktivitäten dieses Unternehmens in Frankreich und half dabei, die Schwierigkeiten zu umgehen, die in verschiedenen Regionen entstehen, wenn der Markt für Taxidienste von einem großen Monopolisten dominiert wird.
Bastien Lachaud, ein Abgeordneter der linken Bewegung La France insoumise, beschrieb Macron als "jemanden, der die Interessen von Betrügern vertritt und nicht der Bürger". Und ein Vertreter der Partei Rassemblement National, Jean-Philippe Tanguy, ging sogar so weit zu sagen, dass Macron "ein Vertreter der Geschäftsoligarchie" sei, der "in seiner Funktionen als Spitzenbeamter ausländische Interessen mit seinen persönlichen vermischt".
Jetzt haben wir also in Frankreich eine wachsende Unsicherheit in der Außenpolitik, eine scharfe Wende von einer diplomatischen zu einer militärischen Haltung, eine vertiefte militärische Unterstützung für das Kiewer Regime, die Einführung einer "Kriegswirtschaft" für Frankreich, anhaltende Spannungen mit einer Reihe von Armeegenerälen, eine steigende Inflation, eine Energiekrise, unpopuläre Reformen und zahlreiche Skandale. Macron hat in seiner jetzigen Amtszeit noch fünf Jahre vor sich. Ein halbes Jahrzehnt "Macronismus" und Kriegswirtschaft? Man wird sehen, wie sich das entwickeln wird.
Übersetzt aus dem Englischen.
Daria Platonova ist politische Beobachterin bei der Internationalen Eurasischen Bewegung.
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