Wie auch in anderen westlichen Ländern wirbt die britische Armee mit herausragenden Konditionen sowie der Gleichstellung der Geschlechter, um auch Soldatinnen zu rekrutieren. Dabei ist das Vereinigte Königreich eines von nur 16 Ländern weltweit, in dem die Rekrutierung bereits ab 16 Jahren möglich ist. Einem aktuellen Bericht zufolge zeigen Recherchen, dass eine Rekordzahl junger Mädchen während der Ausbildung sexuell belästigt und vergewaltigt wurde, wie Vice World News schreibt. Demnach waren die jüngsten von ihnen am stärksten dem Missbrauch ausgesetzt.
Der Bericht beruft sich unter anderem auf Aussagen von Soldaten im Alter zwischen 20 und 70 Jahren, die den Missbrauch schilderten. Besonders erschreckend dabei ist auch, dass die militärische Führung, die Militärpolizei und die militärischen Strafverfolgungsbehörden es versäumten, nach den Übergriffen auf die jungen Mädchen in deren Sinne zu handeln. Nur sehr wenige Übergriffe auf die jungen Rekrutinnen führten zu irgendeiner Art von Strafverfolgung, in manchen Fällen wurden gar die Mädchen bestraft, und Sexualstraftäter sind weiterhin auf ihren Posten.
Die Zahl der Berichte über sexuelle Übergriffe und Vergewaltigungen von Minderjährigen verzehnfachte sich in wenigen Jahren, von einem Fall im Jahr 2015 auf zehn im vergangenen Jahr, wie aus Anfragen zur Informationsfreiheit der Denkfabrik Child Rights International Network (CRIN) hervorgeht. Allein im vergangenen Jahr verfünffachte sich diese Zahl fast.
In diesem Jahr wurden 47 Teenager unter 18 Jahren von der Militärpolizei als Opfer von sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen identifiziert, darunter 37 Mädchen und zehn Jungen, sagte der britische Verteidigungsminister Leo Docherty dem Parlament. Das wäre laut Vice News jedes zehnte Mädchen in diesem Alter in der Armee, das Opfer eines Übergriffs wurde.
Laut einer unabhängigen gerichtlichen Überprüfung unter der Leitung von Lord Justice Lyons im Jahr 2020 war die Rate der strafrechtlichen Verfolgung von sexuellen Übergriffen durch die Militärpolizei "erstaunlich niedrig". Unter der Vielzahl an Mängeln stellte er fest, dass die von ihm inspizierten Schiffe der Royal Navy – von denen eine unbekannte Anzahl derzeit im Rahmen von NATO-Übungen wegen des Krieges in der Ukraine mobilisiert wird – nicht in der Lage sind, Meldungen über Vergewaltigungen oder sexuelle Übergriffe nachzugehen. Er fand keine Vergewaltigungskits an Bord und niemanden, der medizinisch darin geschult ist, Beweise in einer Weise aufzunehmen, die den Standards der Staatsanwaltschaft entspricht.
Zudem gab Lyons zu Protokoll, dass im Jahr 2020 sieben Männer auf der britischen Sexualstraftäterliste stehen, die weiterhin bei der Royal Air Force, der Armee oder der Marine dienen, obwohl es im zivilen Bereich klare Vorgaben darüber gibt, wie junge Menschen vor verurteilten Sexualstraftätern geschützt werden. In der britischen Armee ist fast ein Viertel der Rekruten minderjährig.
Laut Betroffenen und Zeugen geschieht vieles sogar vor den Augen anderer, aber da es in der Armee eine entsprechende Kultur der Frauenfeindlichkeit und blinder Obrigkeitshörigkeit gebe, gehe kaum jemand gegen Vorgesetzte vor, wenn diese Täter sind. Während die Missbrauchs- und Belästigungserfahrungen schlimm bis traumatisch sind, kommt danach sogar statt Hilfe der Militärpolizei eher eine Bestrafung auf die Mädchen zu, als seien sie das Problem. Statt einer Entschädigung, weil sie von zwei Kollegen vergewaltigt und sexuell missbraucht wurde, erhielt eine 29-Jährige im Rang des Leutnants der Royal Navy sogar eine Sanktion, weil sie in der Nacht Alkohol getrunken hatte.
Drei Mitarbeiter des Army Foundation College (AFC) Harrogate, einer renommierten britischen Militär-Ausbildungsstätte für Jugendliche unter 18 Jahren, wurden beschuldigt, im vergangenen Jahr Sexualverbrechen an Schülern in ihrer Obhut begangen zu haben, wie Vice News berichtet. Bei der letzten Inspektion der britischen Schulaufsichtsbehörde Ofsted im Mai 2021 stufte diese das AFC als "hervorragend" ein und vergab damit die höchstmögliche Bewertung.
Laut DAV, einer Wohltätigkeitsorganisation zur Unterstützung von US-Veteranen, gibt von einer von vier weiblichen und einer von 100 männlichen Veteranen an, Opfer sexueller Traumata beim Militär (MST) zu sein, was demnach erhebliche Langzeitfolgen haben kann, die sich nicht nur auf die Betroffenen auswirken.
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