Obwohl es vor allem im Südwesten Deutschlands am Mittwoch gewitterte, wurden dort die 40-Grad-Marke und ein Landesrekord für Baden-Württemberg geknackt. Der Deutsche Wetterdienst meldete für Bad Mergentheim-Neunkirchen um 15:30 Uhr 40,3 Grad. Auch in anderen Bundesländern, etwa in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, war es so heiß wie nie zuvor seit Beginn der Aufzeichnungen in den jeweiligen Bundesländern. Der Deutschland-Rekord liegt bei 41,2 Grad Celsius: Diese Temperatur wurde am 25. Juli 2019 an gleich zwei Stationen in NRW gemessen.
In der Debatte um einen Hitzeschutzplan sieht der Ärzteverband Marburger Bund weiterhin die Bundesregierung in der Verantwortung. Die Vorsitzende Susanne Johna sagte am Mittwoch dem Deutschlandfunk:
"Nationale Vorgaben können helfen, dass wir ein bisschen Tempo in die Entwicklung bekommen."
Dabei gehe es nicht darum, den Kommunen Dinge vorzuschreiben. Sie fordere bundesweite Vorgaben, aus denen die Kommunen eigene Pläne entwickeln sollten. Johna erklärte weiter:
"Es reicht nicht, das in einzelnen Gebäuden zu denken, sondern wir müssen tatsächlich auch städteübergreifend denken. Wir brauchen eine vermehrte Begrünung von Städten."
Sie habe auch Verständnis für die Lage der Kommunen, weil es um bauliche Maßnahmen gehe und sie durch die COVID-19-Pandemie viel zu organisieren hätten. Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, hatte zuletzt einen Hitzeschutzplan gefordert. Was genau ein solcher Plan umfassen soll, erklärte Reinhardt zunächst nicht. Im Rahmen des Programms "Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel" fördert der Bund Vorhaben, mit denen das Leben mit Hitzeperioden, Hochwasser oder Starkregen-Ereignissen unterstützt werden soll. Die Stadt Köln beispielsweise hat damit Maßnahmen im Hinblick auf Kinder, Kranke, Menschen im Alter und Menschen mit Behinderung eingeleitet.
Auch der Deutsche Städtetag fordert Maßnahmen gegen zu starke Hitze in den Städten und deren Auswirkungen. Einige Kommunen hätten bereits Hitzeaktionspläne veröffentlicht, andere bereiteten diese vor, sagte die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin Verena Göppert der Rheinischen Post. Hitzeschutz – etwa durch mehr Stadtbäume – sei aber auch teuer. Der Städtetag fordere feste Budgets für die Kommunen für mindestens zehn Jahre.
Das Bundesumweltministerium hatte zuletzt darauf verwiesen, dass Hitzeschutz und -vorsorge vor allem Aufgabe der Kommunen sei. Ein Sprecher hatte aber bereits am Montag gesagt, man beschäftige sich mit der Forderung des Marburger Bundes. Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, befürchtet infolge der Hitze auch in Deutschland viele Tote. Gassen teilte der Neuen Osnabrücker Zeitung mit:
"Man muss davon ausgehen, dass nicht nur in Südeuropa, sondern auch bei uns in diesem Sommer wieder sehr viele Menschen der Hitze erliegen werden."
Er fordere eine bundesweite Aufklärungskampagne für hitzegefährdete Menschen. Auch Johna kritisierte, dass eine Aufklärungskampagne für das richtige Verhalten bei Hitze fehle. Nach dem Jahr 2018 ist dies der zweitheißeste Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1881.
Waldbrände sollen in Deutschland aber auch künftig ohne Unterstützung durch Löschflugzeuge bekämpft werden. Eine Anschaffung solcher Flugzeuge sei nicht geplant, teilte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in Berlin mit. Sie verwies auf die Zuständigkeit von Ländern und Kommunen für den Katastrophen- und Brandschutz. Der Bund könne mit seinen Ressourcen lediglich im Wege der Amtshilfe, wo die Einsatzkräfte der Länder und Kommunen nicht ausreichten, zeitlich begrenzt unterstützen – etwa mit Hubschraubern der Bundespolizei und Bundeswehr.
In mehreren Teilen Deutschlands kam es jüngst zu weiteren Waldbränden. So brannte in der Nähe von Sundern im Sauerland eine Fläche von mehr als 30.000 Quadratmetern, es kamen immer wieder Glutnester auf, wie ein Polizeisprecher sagte. Rund 400 Einsatzkräfte waren vor Ort. Auch im sächsischen Landkreis Meißen brachen mehrere Waldbrände aus. In Baden-Württemberg mahnte Innenminister Thomas Strobl (CDU) vor den Gefahren durch die Trockenheit, in der sich alles leicht entzündet.
Der ARD-Meteorologe Sven Plöger erklärte, ebenfalls in der Rheinischen Post, dass Städte in sommerlichen Hitzelagen durchschnittlich oft neun Grad wärmer seien als die ländliche Umgebung.
"Wir brauchen mehr Grün und Blau in den Städten, also mehr Pflanzen und Wasser, um mehr Verdunstungskälte zu schaffen."
Man sehe aber durch die zunehmende Versiegelung eine "unglaubliche Überhitzung". Dass Hitzeereignisse eine ernstzunehmende Bedrohung für die Gesundheit von Menschen und Tieren sind, zeigt sich seit Wochen in mehreren südeuropäischen Ländern, wo die Hitze mitunter tödlich war und durch Brände ganze Abschnitte auf lange Zeit verwüstet wurden. An der südfranzösischen Atlantikküste kämpft die Feuerwehr bereits seit mehr als einer Woche gegen zwei große Waldbrände. Auch in der Nacht zum Mittwoch breiteten sich die Flammen um weitere 300 Hektar aus, wie die für die Gironde zuständige Präfektur mitteilte. Insgesamt verbrannten bei Landiras und Teste-de-Buch südlich von Bordeaux 20.600 Hektar Land, was knapp der Fläche des Stadtgebiets von Stuttgart entspricht. Da die Brände sich den bewohnten Städten näherten, wurden im Südwesten des Landes 11.000 Menschen evakuiert. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wurde am Mittwoch vor Ort erwartet.
In der italienischen Toskana kämpften mehr als 100 Feuerwehrleute weiter gegen einen großen Waldbrand nahe der Stadt Lucca. Rund 500 Bewohner in der Gegend der Gemeinde Massarosa seien vor den Flammen in Sicherheit gebracht worden, teilte die Feuerwehr am Mittwochmorgen mit. Auf einem Video aus der Nacht war zu sehen, wie die Flammen nahe einer Siedlung loderten und sich an Bäumen hochfraßen. Einige Gas-Tanks seien explodiert, twitterte Regionalpräsident Eugenio Giani am Mittwochmorgen.
In Portugal gab es am Mittwochvormittag 25 größere und kleinere Waldbrände, die von insgesamt gut 1.200 Einsatzkräften bekämpft wurden, wie der Zivilschutz ANEPC mitteilte. Die größten Sorgen bereiteten zwei Feuer in den Gemeinden Chaves und Murça im Bezirk Vila Real östlich der Metropole Porto im Norden des Landes. Allein bei diesen beiden Bränden waren den Angaben zufolge mehr als 900 Einsatzkräfte tätig. Bei der Bekämpfung dieser Feuer habe man zuletzt aber große Fortschritte gemacht, hieß es.
Innerhalb von nur etwa einer Woche sind mehr als 1.900 Menschen in Spanien und Portugal an den Folgen der Hitze gestorben. Tausende Menschen mussten zudem aufgrund der lebensbedrohlichen Waldbrände ihre Häuser verlassen. Mehr als 30 Waldbrände haben in Spanien Tausende von Menschen zur Evakuierung gezwungen und 220 Quadratkilometer Wald und Buschwerk in Asche verwandelt. Für Dienstag wurde eine Abschwächung der Hitzewelle in Spanien vorhergesagt, allerdings werden die Temperaturen am Mittwoch wohl wieder ansteigen, insbesondere in der trockenen westlichen Region Extremadura. Auch in Griechenland kam es jüngst wieder zu starker Hitze und schweren Waldbränden.
862 Menschen sind in Spanien nach Angaben des Instituts Carlos III zwischen dem 10. und 18. Juli an der Hitze gestorben, während in Portugal zwischen dem 7. und 18. Juli laut Auskunft des Generaldirektors des portugiesischen Gesundheitsministeriums gegenüber Reuters 1.063 Todesfälle auf die Hitze zurückzuführen waren. Eine vollständige Zahl der Todesopfer wird wahrscheinlich erst in einigen Wochen vorliegen. In Deutschland wurde für das Jahr 2018 die Zahl hitzebedingter Sterbefälle auf rund 8.700 geschätzt.
In Frankreich zog die sengende Hitze in den üblicherweise kühleren Norden, sodass dort wie auch in Großbritannien die Temperaturen alle nationalen Hitzerekorde gebrochen haben und für Tausende von Menschen lebensbedrohlich wurden. Nach Angaben von Météo France wurden am Montag im Südwesten des Landes knapp 43 Grad gemessen. Das britische Wetteramt stellte erstmals Temperaturen von über 40 °C fest. Der nationale Temperaturrekord in Großbritannien liegt bei 38,7 °C im Jahr 2019. Die Londoner Feuerwehr hatte wegen der Waldbrände den arbeitsreichsten Tag, seit im Zweiten Weltkrieg Bomben auf die Stadt niedergingen.
In Deutschland soll es sich zu Donnerstag bundesweit etwas abkühlen. Besonders im Südwesten und Westen gab es schon am Mittwoch mancherorts Schauer und Gewitter mit Sturmböen. Die Abkühlung wird allerdings vorerst von kurzer Dauer sein: "So richtig raus aus der Hitze sind wir nicht", sagte ein DWD-Experte. Schon am Wochenende und zu Beginn der neuen Woche könne es dann wieder heißer werden. Temperaturen von 35 bis 40 Grad, so wie sie am Dienstag gemessen wurden, seien in dieser Zeit unnormal.
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