Österreich will gegen die Entscheidung des Europaparlaments klagen, Investitionen in bestimmte Gas- und Atomkraftwerke als klimafreundlich einzustufen. Dies bekräftigte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler am Mittwoch, nachdem das Europaparlament für ein grünes Label für diese Energieformen gestimmt hatte.
Österreich werde eine bereits vorbereitete Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einbringen, sobald dieses "Greenwashing-Programm" in Kraft trete, sagte die Ministerin der Grünen. Luxemburg habe zugesagt, die Klage zu unterstützen. Österreich werde die kommenden Monate nutzen, um dafür weitere Verbündete zu gewinnen.
Die Entscheidung zur sogenannten Taxonomie-Verordnung werde den europäischen Bemühungen für eine gute und klimafreundliche Zukunft nicht gerecht, sagte Gewessler.
"Sie ist weder glaubwürdig, ambitioniert noch wissensbasiert, gefährdet unsere Zukunft und ist mehr als verantwortungslos."
Am Dienstag erst hatte der Krisenausschuss in Österreich wegen sinkender Gasspeichermengen getagt. Zunächst wurde keine Alarmstufe verhängt – das Land bleibt somit noch bei der sogenannten Frühwarnstufe, doch könnte sich das sehr bald ändern.
"Ist unser Einspeicherziel gefährdet, und zwar akut, dann wird es auch die Alarmstufe geben müssen", kündigte Gewessler, die auch Energieministerin ist, am Dienstag an. Vorerst sollen Großverbraucher angewiesen werden, möglichst auf alternative Energieträger umzurüsten, darunter Erdöl.
In der vergangenen Woche war für einige Tage der Füllstand der Gasspeicher in Österreich deutlich langsamer gestiegen als in den Wochen davor, was sich Berichten zufolge am Samstag wieder änderte. Wie auch in Berlin appellierte die Regierung in Wien an die Bevölkerung, Vorbereitungen für die kommende Heizperiode zu treffen sowie Strom und Gas zu sparen. Nach Ansicht der Ministerin sei das Speicherziel mit den derzeitigen Speicherquoten erreichbar. Sie betonte aber, dass die Situation mit Blick auf die Gasversorgung weiter unsicher sei.
Auch in Österreich gibt es die Sorge, dass Russland auf die Sanktionen reagiert, indem die Pipeline Nord Stream 1 nach der zehntägigen Wartung zwischen dem 11. und 21. Juli nicht mehr in Betrieb gehen könnte. Deshalb soll die Situation zum 21. dieses Monats neu bewertet werden.
Nach Berechnungen der sozialdemokratischen SPÖ würden schon die jetzigen Reserven zum kommenden Winter nur für die Haushalte und nicht für die Industrie ausreichen.
"Das ist die Situation, in die wir durch das ständige Beobachten, durch das ständige Zuschauen und das ständige Nichtstun gekommen sind", kritisierte Jörg Leichtfried, stellvertretender SPÖ-Klubobmann.
Der Bundesparteiobmann der rechten FPÖ, Herbert Kickl, meint, dass Fragen nach bilateralen Initiativen Österreichs zur Verhinderung einer möglichen Energiekatastrophe im kommenden Herbst und Winter offen blieben. Als "Showpolitik" bezeichnete die liberale NEOS das Krisenmanagement in Wien.
Auf der Suche nach Alternativen zu russischem Gas setzt Österreich unter anderem auf Israel als künftiges Exportland. Er gehe davon aus, dass Israel ab dem Jahr 2023 Gas ausführen kann, sagte Österreichs Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) Ende Juni. Das Land kann auch wegen relativ großer Speicher einen gesamten Jahresbedarf bunkern. Der Füllstand der Speicher liegt aktuell bei über 40 Prozent. Ziel sind laut Nehammer 80 Prozent, die am 1. November erreicht sein sollen. Pro Kopf hat Österreich die meiste Speicherkapazität bei Gas, liegt in absoluten Zahlen jedoch hinter Deutschland.
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