Nordmazedonien im Zwiespalt zwischen bulgarischem Diktat und EU-Hoffnungen

Nordmazedonien ist weit davon entfernt, in die EU zu kommen, obwohl das Land dafür sogar seinen Namen geändert hat. In Skopje gab es am vergangenen Wochenende Massenproteste unter dem Motto "Ultimatum – Nein, danke".

Eine Analyse von Marinko Učur

Seit Ende 2020 blockiert Bulgarien die Aufnahme von Verhandlungen über die EU-Mitgliedschaft Nordmazedoniens. Bulgarien behauptet, Skopje habe die bulgarische Auslegung ihrer gemeinsamen Geschichte nicht akzeptiert, und fordert konkrete Lösungen sowie Eingriffe in die Staatsverfassung und Schullehrpläne. Sofia erkennt nämlich die mazedonische Sprache nicht an, weil es diese als Dialekt der bulgarischen Sprache betrachtet. Die beiden Länder streiten auch über die Rechte der bulgarischen Minderheit in Nordmazedonien. Deshalb befindet sich Nordmazedonien heute da, wo es ist, und seine europäische Perspektive erscheint so weit entfernt wie noch vor 20 Jahren. In der Zwischenzeit änderte Nordmazedonien auf Wunsch Griechenlands den Staatsnamen und wurde Mitglied des NATO-Bündnisses. Die Erpressungen hörten allerdings nicht auf. Die von der Partei VMRO-DPMNEangeführte nordmazedonische Opposition hat deshalb heftige Proteste angekündigt und den Rücktritt der Regierung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Dimitar Kovačevski gefordert.

Vergeblich erklärte der französische Präsident Emmanuel Macron am letzten Tag der sechsmonatigen französischen Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union am 30. Juni triumphierend: "Ich denke, wir haben eine Kompromisslösung gefunden", unddeutete an, dass das Problem mit dem bulgarischen Veto gelöst sei. Dies war jedoch nicht der Fall und es hat die Opposition weiter geeint. Die Opposition sieht Nordmazedonien einer weiteren Erpressung durch Bulgarien und jene europäischen Bürokraten ausgesetzt, die auf Bulgariens Seite stehen. Der Vorschlag sah vor, dass die bulgarischen Bedingungen Teil der Verpflichtungen Nordmazedoniens auf dem Weg in die EU werden, während Brüssel, also die Europäische Kommission, der Garant für ihre Umsetzung wäre.

Dass der französische Vorschlag für die nordmazedonische Opposition und eine beträchtliche Zahl von Bürgern nicht annehmbar ist, wird durch die massiven Proteste bestätigt, die am vergangenen Wochenende in der Hauptstadt Skopje stattfanden.

Die Bürger haben sich gegen den französischen Vorschlag ausgesprochen und forderten die Regierung auf, ihn nicht zu unterzeichnen, da er, wie beim Protest zu hören war, äußerst schlecht für das mazedonische Volk und die nationalen Interessen Mazedoniens sei. Oppositionsführer Hristijan Mickoski rief die Bürger dazu auf, den Protest unter dem Motto "Ultimatum – Nein, danke" zu unterstützen, um die sogenannten europäischen Werte zu verteidigen und den Verhandlungsprozess mit der EU zu retten.

Die Medien berichteten über die Worte von Mickoski, der den französischen Vorschlag "ein Ultimatum und bulgarisches Diktat für größenwahnsinnige Forderungen und historische Bestrebungen gegenüber Mazedonien" nannteund hinzufügte:

"Ich will nicht in Europa sein, weil ich das Recht habe, ein Mazedonier zu sein, der die mazedonische Sprache spricht und für sein Mazedonien und seine Identität, seine Kultur, seine Geschichte und sein Erbe kämpft."

Der Vorsitzende der stärksten Oppositionspartei, VMRO-DPMNE, sagte weiter zu seinen Anhängern:

"Wir werden warten, falls Europa nicht bereit sein wird, uns, zivilisierte Mazedonier, dort, wo wir hingehören, nämlich in Europa, zivilisiert und würdevoll aufzunehmen, wir werden warten, bis es solche Menschen geben wird, die verstehen, was wir heute wollen – und das ist vor allem Mazedonien und die mazedonische Identität."

Auf der anderen Seite sagt der Außenminister Nordmazedoniens, der ethnische Albaner Bujar Osmani, dass Nordmazedonien durch die Nichtannahme des französischen Vorschlags "den letzten Zug für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union verpassen werde".

Der gescheiterte französische Vorschlag war (nach dem deutschen und dem portugiesischen) der dritte Versuch der Aufhebung des bulgarischen Vetos. Die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass es während der neu begonnenen tschechischen EU-Ratspräsidentschaft zu einer Annäherung der Positionen kommen wird.

Die Nordmazedonier sind verbittert darüber, dass ihre jahrzehntelangen europäischen Bestrebungen keine Priorität Brüssels sind und dass Bulgarien als Mitglied der Union seine Bestrebungen gegenüber dem Nachbarland als gesamteuropäische Position auferlegt hat. 

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