Anfang dieses Monats strahlte der französische Sender France 2 den Dokumentarfilm mit dem Titel "Un président, l'Europe et la guerre" ("Ein Präsident, Europa und der Krieg") aus, der die Außenpolitik Emmanuel Macrons und insbesondere seine Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten beleuchtet. Regie führte der französische Journalist Guy Lagache, der Macron und sein Team in den vergangenen sechs Monaten begleitete.
In einer Szene, in der der französische Staatschef in einem Zug aus Kiew zurückfährt, erklärte er, dass Gespräche mit Wladimir Putin notwendig seien, um zu verhindern, dass sich der Konflikt in der Ukraine noch stärker ausweite. Macron verurteilte die angelsächsischen Politiker, dass sie offen ihren Wunsch geäußert hatten, Russland zu zerstören. Dies sei nicht das Ziel, so Macron, stattdessen müsse man "der Ukraine zum Sieg verhelfen" und "nicht gegen Russland kämpfen, geschweige denn es vernichten".
Macron war zuvor von mehreren Staats- und Regierungschefs kritisiert worden, mit dem russischen Präsidenten in Kontakt geblieben zu sein. Während er den Krieg in der Ukraine verurteilte und EU-Sanktionen gegen Moskau unterstützte, hatte der französische Präsident seit Februar mehrmals mit Wladimir Putin telefoniert. Diese Anrufe brachten die Ukraine offenbar nicht näher an den Frieden, dafür erntete Macron aber Tadel von Kiews Unterstützern. So hatte etwa der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki Macron vorgeworfen, mit einem Mann gesprochen zu haben, den er mit Hitler verglich.
Ungeachtet der praktischen Ähnlichkeit zwischen Macrons Ansatz und dem seiner Amtskollegen aus den USA und Großbritannien, die alle Kiew mit Waffen und Munition beliefern, gibt es einen klaren Unterschied in der Rhetorik zwischen Frankreich und der angelsächsischen Welt. Während US-Präsident Joe Biden Russland beschuldigte, einen "Völkermord" in der Ukraine begangen zu haben, warnte Macron den Westen davor, sich mit solch belasteten Begriffen herumzuschlagen. Ebenso hat er Forderungen aus Kiew zurückgewiesen, Russland zum "Sponsoren des Terrorismus" zu erklären. Und während US-Verteidigungsminister Lloyd Austin den Konflikt in der Ukraine als Gelegenheit bezeichnete, "Russland geschwächt zurückzulassen", erklärte Macron, der Westen dürfe Russland nicht demütigen, um eines Tages ein Friedensabkommen zu ermöglichen.
Der britische Premierminister Boris Johnson hatte Putin mit einem Krokodil verglichen und die Idee von Friedensgesprächen mit Moskau wiederholt zurückgewiesen. Macron sagte hingegen, dass europäische Politiker "Russland als Land und als russisches Volk respektieren" müssten. Er argumentiert, dass "es keinen dauerhaften Frieden geben" werde, wenn Russland sich nicht für eine Architektur des Friedens auf dem europäischen Kontinent einsetze.
Nichtsdestotrotz stellte sich Macron auf die Seite seiner G7-Kollegen und erklärte sich bereit, das ukrainische Militär "so lange wie nötig" zu unterstützen. Nachdem er Gerüchte zurückgewiesen hatte, dass er der Ukraine angeblich vorgeschlagen habe, Land gegen Frieden mit Russland einzutauschen, besteht Macron nun darauf, dass "die Ukraine entscheiden wird, wann die Bedingungen erfüllt sind, um Frieden zu schaffen".
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte in den vergangenen Wochen europäische Politiker beschuldigt, ihre eigenen Volkswirtschaften zu opfern, und behauptet, dass sie unter dem "Druck ihres amerikanischen Oberherrn wirtschaftlichen Selbstmord begehen" würden.
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