Die Europäische Union hat ihrer EU-Polizeibehörde Europol am Dienstag mit Inkrafttreten des sogenannten Europol-Mandats mehr Befugnisse bei der Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität eingeräumt. Dadurch ist es den Ermittlern dieser EU-Behörde von nun an unter anderem gestattet, große Datensätze nationaler Behörden der Mitgliedsländer zu verarbeiten – auch die von völlig unschuldigen Bürgern.
"Mit seinem gestärkten Mandat wird Europol in der Lage sein, sein Fachwissen und seine operativen Fähigkeiten auszubauen, um zur EU-Drehscheibe für Informationen über kriminelle Aktivitäten und zu einem Eckpfeiler der inneren Sicherheitsarchitektur der EU zu werden", wird dazu die EU-Kommissarin für Inneres Ylva Johansson (von den schwedischen Sozialdemokraten) in einer Presseerklärung von Europol zitiert.
Mit der neuen EU-Verordnung wird jedoch lediglich legalisiert, was laut Aussagen von Wojciech Wiewiórowski, dem Europäischen Datenschutzbeauftragten (EDSB), bereits seit Langem gängige Praxis bei Europol ist: die massenhafte Speicherung und Auswertung von Informationen. Demnach belieferten nationale Strafverfolgungsbehörden, wie etwa das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) oder die französische Nationalpolizei, die europäische Behörde schon seit Jahren mit großen Datenmengen.
Diese Praxis habe dazu geführt, dass die EU-Behörde schon bisher über vier Petabyte an Daten aus laufenden und abgeschlossenen Ermittlungsverfahren verfügte, darunter auch die Daten Tausender unschuldiger Menschen sowie eigentlich gestrichene Einträge aus Terrorlisten einzelner Staaten, so moniert der Datenschutzbeauftragte.
Gegenüber der EU hatte Wiewiórowski damals bereits kritisiert, dass Europol-Ermittler mit dem Sammeln und Analysieren nicht mehr überschaubarer Datenmengen ihre Befugnisse überschritten und somit rechtswidrig gehandelt hätten. Unverdächtige Personen wie Opfer oder Zeugen liefen damit Gefahr, "unrechtmäßig mit einer kriminellen Aktivität in der gesamten EU in Verbindung gebracht zu werden". Der Datenschützer hatte daraufhin die Löschung aller Daten gefordert, die nicht mit einer konkreten Straftat im Zusammenhang stehen.
Zu den neuen Aufgaben von Europol gehört zudem nun auch die Erforschung und Entwicklung neuer technischer Tools auf Basis von Künstlicher Intelligenz (KI) zur Strafverfolgung und Überwachung. Darüber hinaus wird es der Behörde durch die Verordnung künftig möglich sein, Nutzerdaten direkt bei Privatunternehmen wie Facebook anzufragen und zu analysieren, damit die EU-Mitgliedsstaaten im Falle einer Straftat Ermittlungen einleiten können. Dieses Vorhaben unterliege allerdings besonders "strengen Datenschutzanforderungen", betont der EU-Kommissions-Vizepräsident Margaritis Schinas (von der griechischen Partei Nea Dimokratia):
"Europol ist ein lebendiges Beispiel dafür, dass die EU durch die Bündelung ihrer Ressourcen und Kräfte stärker wird. Mit seinem gestärkten Mandat wird Europol mit verbesserten Instrumenten und Sicherheitsvorkehrungen ausgestattet, um die Polizeikräfte bei der Ermittlung von Straftaten und der Entwicklung bahnbrechender Methoden zur Bekämpfung der Cyberkriminalität zu unterstützen."
Die Behörde Europol selbst begrüßte verständlicherweise die Änderungen. Man sehe sich nun in der Lage, "personenbezogene Daten ohne die Kategorisierung der betroffenen Person zu verarbeiten, solange und wann immer dies für die Unterstützung einer bestimmten laufenden strafrechtlichen Ermittlung erforderlich ist", heißt es in der Presseerklärung. Dies sei vor allem für den Umgang mit großen und komplexen Datensätzen von Bedeutung, die erst kategorisiert werden könnten, "wenn die relevanten Informationen extrahiert und analysiert" worden seien. Wiewiórowski zeigte sich hingegen sehr enttäuscht über die Novellierung. In einer Pressemitteilung schrieb er:
"Der EDSB bedauert, dass die Ausweitung des Mandats von Europol nicht durch starke Datenschutzgarantien kompensiert wurde, die eine wirksame Überwachung der neuen Befugnisse der Agentur ermöglichen würden."
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