Ende letzter Woche wurde bekanntgegeben, dass das Institut für Virologie am Universitätsklinikum Bonn (UKB) und die Universitätsmedizin Göttingen (UMG) unter Leitung des Virologen Hendrik Streeck ein Forschungsprojekt koordinieren werden, welches durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. Das Projekt dient einer Studie mit dem Namen "Immunebridge" (Immunitätsbrücke), die den Status Quo einer weiterhin ungenauen Datenlage zum Grad der Immunität gegen SARS-CoV-2 in der Bevölkerung ermitteln soll. Der gesamte Titel der Studie lautet: "Immunantworten gegen SARS-CoV-2 bei Risikogruppen in der Allgemeinbevölkerung (Immunebridge)".
Im Rahmen der Befragungen werden insgesamt 29.500 Menschen auf das Vorhandensein von Antikörpern gegen SARS-CoV-2 untersucht. Die ersten Ergebnisse werden für September dieses Jahres erwartet. Prof. Dr. Hendrik Streeck, Direktor des Instituts für Virologie am UKB, wird mit der Einschätzung zitiert:
"Zwar sind nach offiziellen Zahlen 33 Millionen Menschen in Deutschland von COVID-19 genesen, jedoch gibt es ein erhebliches Maß an Untererfassung, die, je nach Phase der Pandemie, auf das 1,5- bis 4-fache der erfassten Fälle geschätzt wird."
Laut der Süddeutschen Zeitung (SZ) soll im Rahmen der Befragungen zum individuellen Impfstatus, möglichen Corona-Infektionen und anderen Vorerkrankungen auch die "Einstellung gegenüber der Corona-Impfung" ermittelt werden. Die Pressemitarbeiterin des Universitätsklinikums Bonn, Petra Sandow, erläutert in der Mitteilung zur Studienplanung, dass "die Unsicherheit in der Erfassung der Personen, die gegen SARS-CoV-2 immunisiert wurden, und einige Berichte und Befragungen" auf eine deutlich höhere Impfquote in Deutschland hinweisen würden. Für die Bewertung der "pandemischen Gefahrenlage im nächsten Winter" sei daher "eine Abschätzung der Zahl der grundimmunisierten Personen nach Impfung bzw. Infektion von großer Bedeutung". Der SZ-Artikel zitiert Studienleiter Streeck mit der Sorge, dass man mit einem Anstieg der Corona-Zahlen im Herbst und Winter rechne. Dabei sei zu bedenken:
"Es könnte sein, dass bestimmte Risikogruppen ihre Immunität schon vollständig verloren haben. Wie stark die Belastung der Intensivstationen ausfallen wird, hängt auch davon ab, wie hoch die Grundimmunität ist."
Das zuständige Robert-Koch-Institut hätte die Impfquote in der Bevölkerung soweit erfasst und kommuniziert. Der "Anteil der Personen, die dreimal gegen SARS-CoV-2 geimpft sind, liegt demnach aktuell bei 61,6 Prozent", jedoch bestünde nach Einschätzung von Streeck die Situation einer Untererfassung, so dass die Impfquote "um bis zu fünf Prozent höher" liegen könnte. Um eine realistische Einschätzung zur gesamtgesellschaftlichen Immunität zu erhalten, soll im Rahmen der Untersuchung mithilfe der Messung von Antikörpern ein genaueres Bild ermittelt werden. "Dabei wird auch eine Unterscheidung vorgenommen, ob diese Antikörper durch eine Infektion oder die Impfung erworben worden sind", so Informationen der Pressemitteilung der Uni Bonn.
Zum geplanten Ablaufprozedere der Studie heißt es in der Mitteilung:
"Das Projekt teilt sich in zwei Abschnitte. Der populationsbasierte Ansatz generiert Daten durch die zufällige Auswahl von 16.500 erwachsenen Personen, die in Selbstverantwortung Blutproben aus der Fingerspitze nehmen und diese zur Analyse an ein Labor schicken."
Zudem würden "Populationsstudien gebündelt und eine synchronisierte Neuerhebung" durchgeführt. Dadurch könnte man "auch Vergleiche mit vorherigen Studiendaten durchführen und so einen Verlauf von Immunitäten und Verbreitung des Virus in diesen Gruppen ermitteln". Ziel sei es zu verstehen, ob bei manchen gesellschaftlichen Gruppen Impflücken bestehen, "wo man dann gezielt mit einer Impfung reingehen kann", so Streeck. Das BMBF fördert die Studie, die final bis Jahresende laufen soll, laut der SZ mit insgesamt drei Millionen Euro.
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