In Moskau herrscht höchste diplomatische Alarmstufe wegen Transitbeschränkungen des Warenverkehrs ins Kaliningrader Gebiet durch Litauen. Das russische Außenministerium hat die Handlungen litauischer Regierung als "offen feindselig" qualifiziert.
"Solche Handlungen sind unzulässig, und sie müssen rückgängig gemacht werden", sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa am Dienstag dem russischen Sender Radiowesti.
Da Litauen Russland über seine Entscheidung nicht benachrichtigt habe, gebe es jetzt auch keinen Raum für Gespräche oder einen Dialog. "Es gibt hier nichts zu diskutieren. Man muss einfach diese Schritte rückgängig machen", betonte die Diplomatin.
Die litauische Regierung müsse sich über die Folgen im Klaren sein, da es für sie um ganz anderes Level der Gefahren gehe. Ihre Handlungen seien aggressiv und provokativ. Der Verweis auf die Befolgung der EU-Sanktionen ließ Sacharowa nicht gelten. "Nur der UN-Sicherheitsrat kann obligatorische Beschlüsse fassen."
Das Kaliningrader Gebiet zählt knapp eine Million Einwohner. Es liegt an der Ostsee und grenzt an Litauen sowie Polen. Von Russland aus ist das Gebiet also nur per Transit durch eines der beiden EU-Länder zu erreichen, wobei der Weg in beiden Fällen über Russlands Verbündeten Weißrussland führen würde.
Von der litauischen Blockade sind die Lieferungen von Kohle, Metallen, Baumaterialien und Spitzentechnologie vom russischen Festland nach Kaliningrad betroffen.
Der Gouverneur des Kaliningrader Gebiets Anton Alichanow teilte mit, dass Transitbeschränkungen bis zu 50 Prozent der zwischen dem Kaliningrader Gebiet und anderen Regionen Russlands beförderten Güter betreffen können, wobei es sich um Baustoffe, Zement, Metalle und eine ganze Reihe anderer wichtiger Bau- und Produktionsgüter handelt.
Die Restriktion der Warenlieferungen verstößt aus russischer Sicht gegen ein Abkommen zwischen Russland und der EU von 2002. Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis wie auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärten jedoch, die Maßnahmen stünden im Einklang mit den von der EU wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine verhängten Sanktionen.
"Der Transit auf dem Landweg zwischen Russland ist nicht gestoppt oder verboten worden", sagte Borrell auf einer Pressekonferenz in Luxemburg. Die EU werde die Leitlinien zu Sanktionen jedoch noch einmal überprüfen, versprach Borrell.
In Polit-Talkshows des russischen Staatsfernsehens erheben Teilnehmer immer wieder die Forderung nach der Schaffung eines "Korridors" zwischen Kernrussland und Kaliningrad. Auch juristische Schritte zur Rücknahme der Anerkennung der heutigen Grenzen Litauens werden in Russland diskutiert.
Der russische Journalist und Politwissenschaftler aus Kaliningrad Alexander Nossowitsch weist darauf hin, dass modernes Litauen sich als Nachfolger der Ersten Litauischen Republik der Zwischenkriegszeit betrachtet. Es habe aber die Grenzen der Litauischen Sozialistischen Sowjetrepublik geerbt.
"Die Grenzen der Litauischen SSR wurden von Moskau gezogen. Wenn Russland den Grenzvertrag mit der Republik Litauen als Reaktion auf die Blockade des Kaliningrader Gebiets aufkündigt, sind diese Grenzen in der Schwebe", schreibt er auf seinem Telegram-Kanal.
Zu den genannten Grenzen gehörten neben dem Hafen Klaipėda auch der Landstreifen zwischen dem Gebiet Kaliningrad und Weißrussland. "Im August 1940 beschloss die VII. außerordentliche Sitzung des Obersten Sowjets der UdSSR, die ein Gesetz über den Anschluss der Litauischen SSR an die UdSSR verabschiedete, auch, einen Teil des Territoriums der Weißrussischen Sozialistischen Sowjetrepublik an Sowjetlitauen zu übertragen", so Nossowitsch.
Der Kenner der Region weist auf die Panik in den litauischen Medien und die sich abzeichnende politische Krise im Land hin. Moskau sei letztendlich egal, ob der Schuldige für die Krise in Vilnius, Brüssel oder Washington sitze, verantworten müsse das in den Augen Moskaus Litauen allein.
"Die Signale aus Moskau sind in der Tat gewaltig – und wie sollten sie auch sonst ausfallen, wenn Litauen die Verpflichtungen gegenüber Russland und der Europäischen Union verletzt hat, die es ihm ermöglicht hatten, seine Staatsgrenze zu garantieren und der NATO und der EU beizutreten?"
Mit diesem rücksichtslosen Verhalten habe Litauen Russland einen Grund zu militärischer Einmischung gegeben, betont der Experte in seiner Kolumne auf dem Nachrichtenportal Rubaltic, wobei Litauen sich in dieser Situation nicht als unschuldiges Opfer einer imperialen Aggression ausspielen könne. Die EU halte sich aus der Affäre heraus. "Die Antwort auf die ewige Frage, ob die NATO-Verbündeten für Litauen in den Krieg ziehen werden, wenn es zum Krieg kommt, ist in diesem Fall für die Litauer selbst nicht offensichtlich."
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