Im Rahmen seiner zweitägigen Balkanreise traf Bundeskanzler Olaf Scholz am Freitag die Regierungschefs Serbiens und des Kosovo. Diesen und vier weiteren Ländern stellt die EU schon seit 19 Jahren eine EU-Mitgliedschaft in Aussicht. Nach dem Gespräch mit dem kosovarischen Premierminister Albin Kurti bekräftigte der Bundeskanzler die Perspektive auf einen EU-Beitritt. Es sei wichtig, "ein neues Zeichen der Hoffnung und Zuversicht zu setzen, dass dieser Beitrittsprozess mit großem Ernst gewollt ist", so Scholz.
Der Annäherungsprozess der sechs EU-Beitrittskandidaten stockt schon seit Jahren. Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur dpa machte sich in der EU diesbezüglich "angeführt von Frankreich, Dänemark und den Niederlanden eine Erweiterungsmüdigkeit" breit.
Aus diesem Grund müsse die EU nun ein Zeichen setzen, um den ernsthaften Willen für den Beitritt der sechs Anwärterländer zum Ausdruck zu bringen, so Scholz. Außerdem sei man es deshalb den bereits so lange wartenden Westbalkanstaaten schuldig, dass es aktuell keine Abkürzung für den EU-Beitritt der Ukraine geben könne.
Schließlich äußerte sich der Bundeskanzler auch grundsätzlich zur Russlandpolitik des Westens:
"Die Voraussetzung dafür, dass die Situation sich bessert, ist, dass Russland akzeptiert, dass es keinen Diktatfrieden gegen die Ukraine durchsetzen kann."
Im Gespräch mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić, der den Bundeskanzler bei seiner Ankunft persönlich vom Auto abgeholt hatte, betonte Scholz, dass im Vorfeld der EU-Beitritte zunächst weitere Reformen in den Westbalkanstaaten notwendig wären. Insbesondere habe er dabei das "Sicherstellen von Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit sowie den Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität" genannt. Im Weiteren forderte der Bundeskanzler einen Kurswechsel in der serbischen Russlandpolitik:
"Unsere Erwartung ist es, dass die Sanktionen auch von jenen Ländern, die sich im EU-Beitrittsprozess bewegen, umgesetzt werden."
Allerdings lehnte der serbische Präsident die Umsetzung der Russland-Sanktionen ab. Serbiens Lage bei der Energieversorgung sei dafür zu kompliziert. Und man sei diesbezüglich überrascht worden:
"Und was hinsichtlich der gegenseitigen Anerkennung gesagt wird, ist für uns auch überraschend. (...) Also wird es an uns liegen herauszufinden, wie wir in der kommenden Zeit damit umgehen werden."
Insgesamt steigt zwar der Druck auf Serbien immer mehr, sich der gemeinsamen EU-Sanktionspolitik gegen Russland anzuschließen. So wurden dem russischen Außenminister Sergei Lawrow Anfang der Woche von den Nachbarländern Serbiens sogar die Überflugrechte verweigert. Infolgedessen musste sein für Anfang der Woche geplanter Besuch beim serbischen Ministerpräsidenten in Belgrad abgesagt werden. Doch Serbien beugt sich nicht ohne Weiteres dem Sanktionsdiktat der EU:
"Wir reagieren nicht auf diese Art von Druck, bei dem uns jemand droht, und dann muss man reagieren. Wo liegt der Unterschied, ob jemand Serbien angreift, ohne dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einen Beschluss gefasst hat, oder ob jemand eine Aggression gegen die Ukraine unternimmt, ohne dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einen Beschluss gefasst hat? Bitte erklären Sie mir einfach den Unterschied", fragte der serbische Präsident den Bundeskanzler in Anspielung auf den völkerrechtswidrigen NATO-Angriff auf Serbien im Jahr 1999.
Wie Politico berichtete, sei dieser hitzige Austausch der beiden Staatschefs insofern bemerkenswert, als Scholz hinsichtlich ihrer EU-Anwärterschaft als Verbündeter der westlichen Balkanstaaten gesehen wird.
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