Am 10. Juni findet vor dem in Luxemburg ansässigen Gericht der Europäischen Union eine Anhörung statt, nachdem RT France am 8. März Klage für die Aufhebung seines Sendeverbots in den EU-Mitgliedsstaaten eingereicht hatte. Der Fall, in dem RT France gegen den Rat der Europäischen Union (EU) antritt, wird Gegenstand dieser Anhörung sein, das Datum der endgültigen Entscheidung wurde jedoch noch nicht bekannt gegeben.
In seiner Klageschrift erklärt RT France, dass es "die Nichtigerklärung des Beschlusses (GASP) 2022/351 des Rates der EU vom 1. März 2022 zur Änderung des Beschlusses 2014/512/GASP über restriktive Maßnahmen gegen die Destabilisierung der Lage in der Ukraine durch Russland (ABl. 2022, L 65, S. 5) und der Verordnung (EU) 2022/350 des Rates vom 1. März 2022 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der russischen Aktionen, die die Lage in der Ukraine destabilisieren" beantragt habe.
Die Europäische Kommission hatte im Zusammenhang mit der russischen Militäroperation in der Ukraine die Notwendigkeit erklärt, alle Sendekanäle (Satellit, Web und soziale Netzwerke) in Europa von der "Medienmaschine des Kreml" abzuschalten, die ihrer Meinung nach insbesondere durch RT, aber auch durch Sputnik repräsentiert werde. In der Folge verbot sie diese audiovisuellen Medien für das Territorium der Europäischen Union. RT France darf jedoch weiterhin außerhalb des EU-Territoriums senden.
RT France habe laut EU-Rat angeblich die Aufgabe, die russische Militäroperation in der Ukraine zu verteidigen.
Die EU wird bei dem Fall durch den Juristischen Dienst des EU-Rates vertreten. Mehrere EU-Länder haben darum gebeten, ihre Standpunkte während der Anhörung darlegen zu können, insbesondere: Frankreich, Belgien, Estland, Lettland, Litauen und Polen. Die Europäische Kommission und eine Vertretung der Union für Außen- und Sicherheitspolitik haben ebenfalls um ihre Teilnahme gebeten.
Laut dem EU-Rat sei RT France ein Organ, das von Russland als Propagandawaffe eingesetzt wird, um die russische Militäroperation in der Ukraine zu rechtfertigen und zu legitimieren. Dieser Propagandaauftrag werde bereits durch seine vollständig staatliche Finanzierung belegt, aber auch dadurch, dass RT France um den 24. Februar herum Propagandaaktionen durchgeführt haben soll.
Der EU-Rat begründet die Verbotsentscheidung auch mit den Entscheidungen anderer Nicht-EU-Regulierungsbehörden, insbesondere der britischen Regulierungsbehörde (Ofcom).
Die neue EU-Verordnung, die am 1. März eingeführt wurde, um RT France die Ausstrahlung von Sendungen zu verbieten, stellt fest, dass es "Betreibern untersagt ist, Inhalte zu verbreiten, die Verbreitung von Inhalten durch die in Anhang IX aufgeführten juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen zuzulassen, zu erleichtern oder zu ihnen beizutragen [RT France, RT English, RT UK, RT Germany, RT Spanish und Sputnik], einschließlich der Übertragung oder Verbreitung über alle Medien wie Kabel, Satellit, IPTV, Internetdienstanbieter, neue oder vorinstallierte Plattformen oder Anwendungen für die gemeinsame Nutzung von Videos im Internet".
Außerdem heißt es dort: "Alle Lizenzen oder Genehmigungen für die Ausstrahlung, Übertragungs- und Vertriebsvereinbarungen mit den in Anhang IX aufgeführten juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen werden ausgesetzt."
Diese EU-Regelung wird von RT France entschieden bestritten: "RT France bestreitet die Rechtmäßigkeit der EU-Verordnung über das Verbot der Verbreitung seiner Inhalte auf dem Gebiet der Europäischen Union, die seit dem 2. März in Kraft ist, und ist der Ansicht, dass sie einen absolut neuartigen und unzulässigen Angriff auf das Grundprinzip der Meinungsfreiheit darstellt. Die politische, willkürliche und brutale Entscheidung des Rates der Europäischen Union, RT France zu verbieten, stellt einen gefährlichen Präzedenzfall für alle auf dem Gebiet der Europäischen Union ansässigen Medien dar." Dies erklärte die Kommunikationsabteilung des Senders in einer Pressemitteilung, die am Morgen des 8. Juni online veröffentlicht wurde.
"Dieses generelle Verbot ist weder gerechtfertigt noch legal. RT France hat immer ehrlich, umfassend und unter Wahrung der Meinungsvielfalt über aktuelle Ereignisse, insbesondere über die Ukraine, berichtet", heißt es weiter.
In Bezug auf die vom EU-Rat vorgebrachten Argumente argumentiert RT France außerdem, dass "der EU-Rat versucht, seine Entscheidung, die ohne den Nachweis einer bestimmten Propagandaaktion seitens RT France getroffen wurde, im Nachhinein zu rechtfertigen".
"Die Finanzierungsmethode [von RT France] ist bekannt und die staatliche Finanzierung an sich reicht nicht aus, um das Verbot eines Mediums zu legitimieren", so der Sender in seiner Argumentation und fügte als Beleg hinzu: "[RT France] ist redaktionell unabhängig und wurde nie von CSA/ARCOM – der einzigen Behörde, die Sanktionen verhängen kann – bestraft." Zudem gebe es zahlreiche Beispiele für andere staatlich finanzierte Sender, die nicht von derartigen Sanktionen betroffen sind, darunter auch France24.
"[RT France] legte Beweise vor, die zeigen, dass die vom EU-Rat benannten Punkte nicht zutreffend sind: dass alle Standpunkte berichtet wurden, dass die vom Rat angesprochenen Informationen von anderen Medien behandelt wurden, ohne dass sie als Propaganda angesehen oder durch Sanktionen ins Visier genommen wurden, dass das Vorgehen Russlands Gegenstand von Debatten war, die auch kritische Standpunkte einschlossen und schließlich, dass die Weitergabe des russischen Standpunkts nicht per se verwerflich ist, sondern eine Information darstellt, wenn sie klar mit Quellen belegt ist und andere Standpunkte vertreten werden, was genau der Fall war", fügte RT France in der Argumentation hinzu.
Schließlich kommt der Sender in seinem Antrag zu dem Schluss, dass "die Annahme dieser Maßnahmen allein aus der Art seiner Finanzierung resultiert und nicht aus den Inhalten, die er veröffentlicht. Es ist nicht Aufgabe des EU-Rates, seinen redaktionellen Inhalt zu bewerten und zu qualifizieren, es sei denn, man leugnet schlicht und einfach die Rolle, die der nationalen Regulierungsbehörde zukommt".
Die Art der Finanzierung von RT France und nicht die von ihr ausgestrahlten Inhalte seien der einzige Grund für die Verhängung dieser Maßnahmen. Es liege jedoch nicht in der Macht des Rates der EU, den redaktionellen Inhalt des Senders zu bewerten und zu qualifizieren, andernfalls würde die der nationalen Regulierungsbehörde zugewiesene Rolle dieser schlicht und einfach verweigert.
Zur Erinnerung sei hier noch erwähnt: In Frankreich gibt es unter anderem ein Gesetz gegen Informationsmanipulation, das 2018 verabschiedet wurde und die Demokratie besser vor verschiedenen Formen der absichtlichen Verbreitung von Falschinformationen schützen soll. RT France wurde jedoch auch diesbezüglich noch nie wegen angeblicher Verbreitung von Desinformationen strafrechtlich verfolgt. Der Sender RT France hat auch eine Vereinbarung mit Arcom (zu Deutsch Regulierungsbehörde für audiovisuelle und digitale Kommunikation, ehemals bis Ende 2021 CSA genannt) und wurde nie von der Regulierungsbehörde bestraft.
Am 8. März hatte RT France zwei Klagen beim Gericht der Europäischen Union eingereicht, um das von der Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen angekündigte Verbot der Ausstrahlung in der Europäischen Union ab dem 27. Februar zu verhindern. Der nun behandelte Hauptfall wurde zuvor in einem Schnellverfahren geprüft.
In einem am 30. März veröffentlichten Beschluss hatte der Präsident des Gerichts der Europäischen Union den Antrag von RT France auf einstweilige Verfügung, mit dem die Aussetzung der EU-Verordnung beantragt wurde, abgelehnt und erklärt, dass die Klage in der Hauptsache – mit der die Aufhebung der Entscheidung beantragt wird – im Rahmen eines beschleunigten Verfahrens geprüft werde.
Für den Rechtsbeistand Emmanuel Piwnica als Anwalt von RT France war die Tatsache, dass der Antrag auf einstweilige Verfügung vom EU-Gericht abgelehnt worden war, ein Signal dafür, dass die Klage in der Hauptsache in einem beschleunigten Verfahren geprüft werden würde.
Bei dieser Gelegenheit betonte der Anwalt von RT France auch, dass sich die Journalisten der Medien "in einer Situation befinden, in der sie ihre berufliche Tätigkeit nicht mehr ausüben können". Allerdings merkte Rechtsanwalt Emmanuel Piwnica an, müsse "man trotzdem daran erinnern, dass die berufliche Tätigkeit eines Journalisten für ihn selbst, für die Zeitung und für die Information wesentlich ist [...], was [vom Gericht] nicht berücksichtigt wurde".
Bisher gibt es noch keine Neuigkeiten in Bezug auf die Anhörung, aber RT DE wird weiter über den Fall berichten.
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