Russische Staatsduma beschließt Austritt aus dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte müssen in Russland nicht mehr umgesetzt werden. Die russische Staatsduma hat am Dienstag einen entsprechenden Gesetzentwurf angenommen.

Laut einem Gesetzentwurf, dem die russische Staatsduma am Dienstag zustimmte, muss Russland die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) künftig nicht mehr befolgen. Demnach werden alle Urteile, die nach dem 15. März 2022 erlassen wurden, nicht mehr umgesetzt. Das Gesetzespaket muss noch vom Oberhaus des Parlaments angenommen werden, was voraussichtlich am 8. Juni passiert.

Die Generalstaatsanwaltschaft wird bis zum 1. Januar 2023 alle Antragsteller auf der Grundlage von vor Mitte März ergangener Urteile des Straßburger Gerichts finanziell entschädigen. Das Geld wird jedoch nur in Rubel und nur auf Konten bei russischen Banken überwiesen.

Das neue Gesetz legt zudem fest, dass die Urteile des EGMR nicht mehr als Grundlage für eine Überprüfung von Entscheidungen russischer Gerichte dienen werden. "Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist in den Händen westlicher Politiker zu einem Werkzeug des politischen Kampfes gegen unser Land geworden", erklärte der Sprecher der Staatsduma Wjatscheslaw Wolodin. Ihm zufolge widersprachen einige Urteile des EGMR der russischen Verfassung sowie russischen Werten und Traditionen. Die Entscheidungen der russischen Gerichte hätten Vorrang vor denen des EGMR.

Gleichzeitig sieht die Initiative die Schaffung eines Ausgleichsmechanismus vor, der die Aufhebungsgründe rechtskräftig gewordener Gerichtsentscheidungen erweitert und die Wiederaufnahme von Strafverfahren ermöglicht.

Die Zeitung Kommersant berichtete am Montag unter Berufung auf den Europarat, dass der russische Staat den Antragstellern, die sich an den EGMR gewandt hatten, rund 74 Millionen Euro Entschädigung schuldet. Dazu kommen weitere 1,9 Milliarden Euro Schadenersatz im Fall Yukos. Laut dem Europarat setzte Russland die Entscheidungen in 2.030 Fällen noch nicht um. Dabei gehe es nicht nur um finanzielle Entschädigung, sondern etwa auch um zusätzliche Maßnahmen, beispielsweise gesetzliche. Laut jüngsten Statistiken richten sich rund 25 Prozent aller Beschwerden, die vom EGMR untersucht wurden, gegen Russland.

Russland war dem Europarat im Jahr 1996 beigetreten. Die Mitgliedschaft berechtigt Bürger der Mitgliedsländer, sich mit Beschwerden über Verletzungen der Europäischen Menschenrechtskonvention an den EGMR zu wenden. Russland hatte seine Pläne, aus dem Europarat auszutreten und die Europäische Menschenrechtskonvention zu kündigen, Mitte März bekannt gegeben.

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