RT: Im Westen Weißrusslands findet derzeit eine großangelegte Militärübung der weißrussischen Streitkräfte statt, einschließlich Übungen unter städtischen Bedingungen und Flussüberquerungen in der Nähe des Grenzkontrollpunktes von Brest. Bereitet sich Weißrussland auf eine Invasion in Polen vor?
Georgi Schpak: "Die Polen werden unter ihrer Nationalflagge weder nach Weißrussland noch in die Ukraine gehen. Söldner, Freiwillige, Volontäre – wie auch immer man sie nennen will, aber nicht Angehörige der polnischen Armee – können an die Donbass-Front, die Region Lwow oder die Region Ternopol gehen.
Polen ist Mitglied der NATO, und ein Schuss der NATO in Richtung Russland wäre der Beginn des dritten Weltkriegs. Jeder versteht das, und ich denke, in Warschau hat man aus Washington einen sehr klaren Befehl erhalten, nicht die Initiative zu ergreifen. Amerika will nicht wegen der Ukraine oder wegen Polen sterben. In einem globalen Nuklearkrieg, zu dem ein dritter Weltkrieg unweigerlich führen würde, wird es keine Gewinner geben.
Was die Übungen in Weißrussland betrifft, so handelt es sich um die üblichen militärischen Standardmaßnahmen als Reaktion auf die Manöver der NATO-Truppen, die entlang der anderen Seite der Grenze vollzogen werden. Der westliche Militärblock führt nun eine ganze Reihe davon durch, eines nach dem anderen. Alexander Lukaschenko zeigt, dass auch er das Pulver trocken hält."
RT: Verfügt die russische Armee angesichts der Kämpfe in der Ukraine über die Stärke und die Ressourcen, um alle Richtungen abzudecken?
Georgi Schpak: "Genug ist genug. Das Land und die Armee werden von intelligenten Menschen geführt. Die Reserven sind vorhanden, sie wurden unter Berücksichtigung der ungünstigsten Entwicklung der geopolitischen Lage geschaffen. Wenn ein "Extremfall" eintritt, ist Russland in der Lage, mehrere Jahre lang einen umfassenden Krieg gegen einen ernsthaften Gegner zu führen. Deshalb lese ich mit unverhohlenem Vergnügen all die regelmäßigen Erklärungen, die von der ukrainischen Propaganda wiederholt werden, dass den Russen die "Kalibr" (russ. Marschflugkörper) ausgehen, dass sie keine Panzer mehr haben, dass es nicht genug Soldaten gibt.
Schauen Sie: Wir befinden uns nicht im Krieg. Es handelt sich um eine spezielle Militäroperation, an der nicht alle unsere Streitkräfte beteiligt sind, sondern nur einige von ihnen. Eine Mobilmachung wurde nicht angekündigt. An der Front sind nur Vertragsbedienstete und Freiwillige im Einsatz. Es gibt genügend Raketen und Munition und es wird bis zum Ende der Kämpfe genug davon geben, egal wie lange sie dauern."
RT: Wie lange, glauben Sie, können sie in der Ukraine bleiben?
Georgi Schpak: "Über die Pläne des Oberbefehlshabers und des Verteidigungsministers wissen nur sie selbst Bescheid. Ich bin im Ruhestand, ich sitze nicht in einem Unterstand an der Front, sondern zu Hause, also kann ich nur meine persönliche Meinung äußern. Ich studiere die Karte der Ukraine und analysiere Informationen. Ich denke, wir sollten nicht von einem schnellen Sieg träumen. Es wird Zeit brauchen, um einen gut ausgebildeten und bewaffneten Gegner zu besiegen, wie es die ukrainischen Streitkräfte heute sind. Es sei denn, es werden einige drastische politische Entscheidungen getroffen.
RT: TV-Experten und Sofa-Analysten sind derweil voller Optimismus: Nach der vollständigen Befreiung von Mariupol, der Einnahme von Sewerodonezk und anderen Städten, so sagen sie, habe es einen Wendepunkt in den Köpfen der ukrainischen Soldaten gegeben. Jetzt würden sie sich massenhaft in die Gefangenschaft begeben und ihre Linien aufgeben. Stimmen Sie dem zu?
Georgi Schpak: "Man kennt das seit Langem: Je weiter weg von der Front, desto mehr Helden. Schnelle militärische Erfolge sollte man in der Ukraine nicht erwarten. Die erste Phase der Sonderoperation hat uns eine Lehre erteilt: Dieses Land, das vom Westen perfekt auf den Krieg vorbereitet und vom Gift der faschistischen Ideologie durchdrungen ist, kann nicht durch eine schnelle Attacke gestürmt werden. Die USA und die EU beliefern die Ukraine weiterhin mit Waffen und Munition und werden dies auch weiterhin tun. Der Westen profitiert sogar von einem langen Krieg, in dem er immer noch hofft, Russland schwächen und zermürben zu können.
Darüber hinaus dürfen wir nicht vergessen, dass Menschen wie wir gegen uns kämpfen: Slawen, Ukrainer und Russen. Sie haben in den letzten acht Jahren nur ihr Hirn auf den Kopf gestellt bekommen, aber sie sind genauso mutig und standhaft wie unsere Soldaten. Sie haben kompetente Kommandeure. Umso mehr gereicht es der russischen Armee und der Donbass-Volksmiliz zur Ehre, dass sie gerade dabei sind, so einen starken Gegner zu besiegen.
RT: Hat man bei uns völlig damit abgeschlossen, diesen Gegner zu unterschätzen?
Georgi Schpak: Ja, es wurden die richtigen Schlussfolgerungen gezogen. Ruhig und methodisch, um unsere Soldaten nicht zu verlieren und die Zivilbevölkerung zu schützen, rückt unsere Armee vor. Die gewählte Taktik ist richtig. Aber sie sieht keine schnellen Siege vor. Das Hauptproblem sind die Städte. Es ist bereits offensichtlich, dass der Gegner bei der Durchführung von Verteidigungsoperationen in diesen Gebieten dieselbe Taktik wie die deutschen Faschisten anwendet, die sie dort im letzten Jahrhundert eingesetzt haben. Soldaten der Streitkräfte der Ukraine besetzen die oberen Stockwerke von Häusern, während sie in den Etagen darunter die Zivilbevölkerung als lebende Schutzschilde missbrauchen.
Auch große Industrieanlagen werden zu regelrechten Festungen ausgebaut. Aber auch wir sind auf die Methode des Stadtkampfes aus Zeiten des Zweiten Weltkriegs umgestiegen: Wir agieren mit mobilen Sturmtrupps und punktgenauer Unterstützung durch Panzer und Artillerie. Unsere Jungs müssen den Gegner mit Präzision vernichten, und es wird noch viele Städte auf dem Weg unserer Truppen geben, so dass diese Arbeit lange dauern wird.
RT: Nochmals Ihre persönliche Meinung bitte: Wo sollen unsere Truppen aufhören? An den Grenzen der Donbass-Volksrepubliken und von Cherson sowie eines Teils der Region Saporoschje, entlang des Dnjepr? Oder an der Grenze von Polen?
Georgi Schpak: Wenn auch nur ein Quadratmeter Land unter der Herrschaft des derzeitigen Kiewer Regimes verbleibt, wird es sofort mit Waffen vollgestopft, und sie werden von dort aus auf Russland, auf die Russen schießen. Dieser faschistische Abschaum ist wie ein Krebsgeschwür: Er kann sich immer weiter auszubreiten. Er muss bis zum Ende zerstört werden.
RT: Was ist, wenn es in den westlichen Regionen zu einem neuen Ausbruch von Banderismus kommt?
Georgi Schpak: Die Sowjetunion hat ihn besiegt, Russland wird ihn auch besiegen. Wir haben keine andere Wahl. Wir bekämpfen den Faschismus bis auf den Tod, und zwar nicht nur den ukrainischen Faschismus. Entweder wir zerstören ihn oder er zerstört uns. Die Wahrheit ist auf unserer Seite. Wir werden gewinnen, aber wir müssen Mut und Geduld haben.
Übersetzt aus dem Russischen.
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