Die Kritik an der Bundesregierung und allen voran an Bundeskanzler Olaf Scholz, wenn es um die Ukraine und Waffenlieferungen an Kiew geht, ebbt nicht ab. Erst gestern Vormittag wetterte CDU-Chef Friedrich Merz gegen Scholz und sein demnach zögerliches Vorgehen. So warf der Oppositionsführer beim "Wirtschaftstag" des Wirtschaftsrates der CDU dem Kanzler vor, dass nach dessen Feststellung einer "Zeitenwende durch Russlands Angriff auf die Ukraine konkrete Entscheidungen" ausgeblieben seien.
Laut Merz sei Scholz dabei, eine "historische Chance" und eine "historische Verantwortung" zu verpassen und zurückzufallen in alte Muster. Der CDU-Chef sprach von einem "Deckmantel" von Besonnenheit und Zurückhaltung. Dies aber sei eigentlich Zögerlichkeit und Ängstlichkeit vor der Verantwortung. Laut Merz müsse Deutschland stattdessen eher eine "Führungsrolle" in Europa und der Welt, die viele zu Recht erwarteten, übernehmen.
Seine Kritik wiederholte der CDU-Chef am Mittwoch auch im Bundestag. Während der Generaldebatte zum Haushalt 2022 warf der Oppositionsführer dem Bundeskanzler vor, die bereits vor einem Monat zugesagten schweren Waffen nicht an Kiew geliefert zu haben. So sagte Merz:
"Sie reden in letzter Zeit etwas mehr als sonst, aber sie sagen unverändert nichts."
Auch ein weiterer Schritt von Scholz wurde nun angeprangert: Telefonate mit Russlands Präsident Wladimir Putin. Dafür finde Scholz Zeit, so Merz, doch für den ukrainischen Parlamentspräsidenten, der nach Berlin komme, habe Scholz aber keinen Gesprächstermin.
Die Kritik an den Telefonaten des deutschen Kanzlers nach Moskau in den Kreml wurde bereits einen Tag zuvor geäußert. Am Dienstagabend in der ARD-Talkshow "Maischberger" hatte der zugeschaltete polnische Vizeaußenminister Szymon Szynkowski vel Sęk jene Gespräche zwischen Scholz und Putin als "absolut sinnlos" bezeichnet. Die Telefonate von Scholz und auch Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron mit Moskau würden Kiew nichts bringen, nur Putin "neue Glaubwürdigkeit" geben.
Statt nach Kiew zu reisen, rufe Scholz den russischen Präsidenten "ziemlich regelmäßig" an, so der polnische Vizeaußenminister. Er forderte von Berlin stattdessen "konkrete Taten" und "nicht nur Worte und Deklarationen", wenn es um Waffenlieferungen an die Ukraine gehe. Deutschland müsse "endlich mehr" für dieses Land tun, so Szynkowski vel Sęk. Demnach sei nichts, was von deutscher Seite versprochen worden war, eingehalten worden.
Kritik an Berlin aus Warschau gab es bereits vor wenigen Tagen vom polnischen Präsidenten Andrzej Duda. Jener hatte der Bundesregierung vorgeworfen, die aus Polen an die Ukraine gelieferten Panzer nicht wie zugesagt ersetzt zu haben. Am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos hatte Duda gegenüber dem Sender Welt TV erklärt, dass Berlin "sein Versprechen nicht erfüllt" habe und man enttäuscht darüber sei.
"Wir haben der Ukraine eine große Anzahl an Panzern zur Verfügung gestellt", sagte der polnische Präsident weiter. "Indem wir das getan haben, haben wir unser eigenes militärisches Potenzial geschwächt, und wir haben unsere eigenen militärischen Vorräte aufgebraucht." Darum habe Polen auch auf Unterstützung aus Deutschland gehofft. Ein großer Teil des Panzerarsenals der polnischen Streitkräfte bestehe aus deutschen Panzern vom Typ Leopard.
Am Dienstag erklärte Kanzler Scholz, dass er mit dem polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki über einen Ringtausch gesprochen habe. Er betonte: "Wir wollen das beide in guter, bester Kooperation auch erreichen."
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