Die Europäische Kommission hat ihren Mitgliedsstaaten eine vertrauliche Analyse von Putins Dekret vorgelegt, worin der russische Präsident sogenannten "unfreundlich gesinnten Staaten", die Sanktionen gegen Russland mittragen, den Kauf von Erdgas aus Russland ausschließlich in der russischen Landeswährung gestattet. Dies schreibt die US-Finanznachrichtenagentur Bloomberg mit Verweis auf "eine mit der Angelegenheit vertraute Person".
Eine Befolgung von Putins Dekret in der Form, wie die russische Gazprombank es westlichen Kunden ermöglicht beziehungsweise erleichtert, würde gegen die bestehenden und im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt gegen Russland verhängten Sanktionen verstoßen. Außerdem würde sich für diese Kunden die Rechtslage ändern, hieß es.
Ende März hatte Wladimir Putin die Gazprombank sowie die Regierung und die Zentralbank der Russischen Föderation angewiesen, die Bezahlung für Erdgaslieferungen aus Russland an unfreundlich gesinnte Staaten auf Rubel umzustellen. Der Staatschef unterzeichnete daraufhin ein entsprechendes Dekret und erklärte, Moskau werde es als Nichterfüllung der Verpflichtungen aus den Lieferverträgen betrachten, falls die Partner ab dem 1. April nicht in Rubel zahlten.
Für die Kunden sind die neuen Zahlungsmodalitäten leicht umsetzbar. Die Gazprombank wird zwecks Zahlungsempfang von ausländischen Erdgaskäufern spezielle Fremdwährungs- und Rubelkonten für diese eröffnen. Auf diese Konten können die Käufer ihre Zahlungen in der im Liefervertrag angegebenen Währung überweisen, die Bank handelt mit den Devisen dann an der Moskauer Börse und nimmt daraufhin die Abrechnung in Rubel mit dem Gasversorger vor.
Laut der vorläufigen Analyse durch die Kommission, die Anfang des Monats erstmals intern verbreitet worden sei, ändere Putins Dekret das bisherige Verfahren erheblich. In der Tat werde damit eine gänzlich neue Rechtslage geschaffen, kommentierte der anonyme Gesprächspartner gegenüber Bloomberg: Nun hätte die russische Seite unter Kontrolle, wann genau die Transaktion als abgeschlossen gelte und der Kunde seinen Zahlungsverpflichtungen nachgekommen sei. Auch die Kontrolle über den Wechselkurs läge in diesem Fall bei Moskau.
Sanktionsumgehung gleich Sanktionsverstoß
Nicht zuletzt würde der umschriebene Mechanismus gegen die restriktiven Maßnahmen verstoßen, die die EU als Reaktion auf Moskaus militärischen Sondereinsatz in der Ukraine verabschiedet habe. Das Verfahren könne sich nicht nur auf die Wirksamkeit der über die russische Regierung, die russische Zentralbank und deren Bevollmächtigten verhängten Sanktionen niederschlagen, sondern auch Auswirkungen auf andere Verbote verschiedener Geldmarktinstrumente haben, die von der Gazprombank ausgegeben werden.
Die Erdgaskäufer stecken somit in einer Zwickmühle und müssen die Wahl zwischen einem Verstoß gegen die EU-Sanktionen und einer ungedeckten Nachfrage abwägen.
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