Russland: Aserbaidschan ist in russischen Verantwortungsbereich in Bergkarabach eingedrungen

Trotz eines Waffenstillstands gibt es in der Südkaukasus-Region Bergkarabach erneut Spannungen. Die Rede ist vom Vorrücken aserbaidschanischer Kräfte. Russland und Frankreich mahnen zu einem Rückzug. Gibt es da einen Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg?

Russland hat Aserbaidschan vorgeworfen, in der umkämpften Südkaukasus-Region Bergkarabach in den Verantwortungsbereich der von Moskau entsandten Friedenstruppen eingedrungen zu sein. Aserbaidschanische Streitkräfte hätten in dem Gebiet, auf das auch Armenien Anspruch erhebt, in den vergangenen Tagen nahe dem Ort Furuch vier Drohnenangriffe durchgeführt, teilte das russische Verteidigungsministerium am Samstag mit. Aserbaidschan sei aufgefordert worden, seine Truppen zurückzuziehen.

Die international nicht anerkannte Republik Bergkarabach verhängte Medien zufolge vorübergehend den Kriegszustand. Bei jüngsten Kämpfen waren am Freitag drei Armenier getötet worden. Auch das armenische Außenministerium hatte Aserbaidschan bereits einen Vorstoß in den von den Russen kontrollierten Bereich vorgeworfen.

Aserbaidschan wies am Abend den Vorwurf zurück, ein mit Armenien und Russland geschlossenes Friedensabkommen verletzt zu haben. Das Verteidigungsministerium in Baku warf vielmehr Armenien vor, noch immer nicht alle Soldaten aus dem Aserbaidschan zugesprochenen Teil Karabachs abgezogen zu haben. Aserbaidschan rief Russland dazu auf, das Wort "Bergkarabach" nicht zu benutzen. Es gebe eine solche territorial-administrative Einheit nicht. 

Im Herbst 2020 hatte Aserbaidschan in einem kurzen Krieg große Teile Bergkarabachs zurückerobert, das seit Ende der Achtzigerjahre von pro-armenischen Kräften kontrolliert worden war. Am Ende der Kampfhandlungen wurde ein Abkommen mit Russland über die Entsendung der Friedenstruppen geschlossen. Sie sollen den Waffenstillstand überwachen. Trotzdem kommt es immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen.

In den pro-ukrainischen Medien wurde kurz vor dem Vorfall spekuliert, dass Russland Soldaten aus Karabach abgezogen habe, um sie im Krieg in der Ukraine einzusetzen. Dies wiederum habe die Lage im Südkaukasus destabilisiert. Russland bestätigte das bislang nicht. Aus dem Verteidigungsministerium in Moskau hieß es nun, die russischen Friedenstruppen würden versuchen, die Situation zu lösen.

Der aserbaidschanische Politologe Ilgar Velizade wies im Interview mit der russischen Internetzeitung EADaily Spekulationen zurück, Aserbaidschan wolle die militärische Auseinandersetzung in der Ukraine für seine Zwecke nutzen. Die Beziehungen zwischen Aserbaidschan und Russland hätten mit tagespolitischer Konjunktur in der Welt und in der Region nicht zu tun. Baku habe Moskau niemals erpresst und werde es auch weiterhin nicht tun. Am 22. Februar, nur knapp zwei Tage vor Beginn der russischen Militäroperation in der Ukraine, hatte der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew in Moskau ein Abkommen mit Russland über strategische Partnerschaft aus 40 Punkten unterzeichnet. 

Frankreich, das Co-Vorsitzender der OSZE-Minsk-Gruppe für eine Verhandlungslösung im Bergkarabach-Konflikt ist, bedauerte die bewaffneten Zwischenfälle und Truppenbewegungen, wie das Außenministerium in Paris mitteilte. Frankreich forderte, dass sich die angeblich vorgerückten Kräfte gemäß dem Waffenstillstand von 2020 auf ihre ursprünglichen Positionen zurückziehen. Besorgnis gab es über eine erneute Unterbrechung der Gasversorgung für die Bevölkerung in Bergkarabach. Der französische Außenminister habe bei seinen jüngsten Gesprächen mit seinen armenischen und aserbaidschanischen Amtskollegen dazu aufgerufen, die Versorgung so schnell wie möglich wiederherzustellen.

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(rt/dpa)