Seit Anfang März häufen sich in sozialen Netzwerken Fotos und Videoaufnahmen auf der Ukraine mit an Masten festgebundenen Männern und Frauen, die mit heruntergelassener Hose bloßgestellt oder mit Stockschlägen auf den nackten Hintern malträtiert werden.
Für welche "Vergehen" der Betroffenen diese Art der Selbstjustiz geübt wird, ist weitgehend unklar. In einigen Fällen behaupten die Nutzer der sozialen Netzwerke, die diese Art von Videos posten und teilen, dass es sich bei den "Bestraften" um Plünderer und Diebe handelt. Ob das überhaupt stimmt, kann nicht geprüft werden, körperliche Bestrafung zumal ohne ordentliche Gerichtsverhandlung ist indes in jedem Fall illegal und ihrerseits als Straftat zu bewerten. Die Polizei mischt sich in der Regel nicht ein oder beteiligt sich gar an den Misshandlungen.
Besonderes Aufsehen erregte am Montag ein offensichtlich rassistisch motivierter Vorfall im westukrainischen Lwow, wo Roma an einen Laternenmast gefesselt und mit grünem antiseptischem Farbstoff besprüht worden waren.
Mehrere Roma-Familien, darunter Jugendliche und Familien mit Frauen und Kindern, wurden Berichten zufolge mit Klebeband an Laternenpfähle gefesselt und ihre Gesichter mit einem antiseptischen Farbstoff besprüht, der in den ehemaligen Sowjetstaaten als "Seljonka" bekannt ist. Die grün gefärbte Substanz lässt sich nur sehr schwer abwaschen und kann Verätzungen an den Augen verursachen.
Lokalen Medien zufolge wurden die Roma "bestraft", weil sie versucht hatten, die Fahrgäste eines Busses zu bestehlen. In den sozialen Medien wird jedoch behauptet, dass sie nur versucht hätten, Lebensmittel zu stehlen, da sie nach ihrer Flucht aus Kiew ausgehungert waren.
Einige Nutzer sozialer Medien behaupten, die harte Bestrafung sei auf die Nationalität der Opfer zurückzuführen. Für die grausame Tat wurden Angehörige der Territorialen Verteidigungskräfte verantwortlich gemacht, einer kürzlich gegründeten Freiwilligeneinheit des ukrainischen Militärs. Auf den Bildern vom Tatort sind maskierte Männer in Uniform zu sehen.
Lwow, das im Westen der Ukraine nahe der polnischen Grenze liegt, blieb von dem anhaltenden Konflikt im Land bisher weitgehend verschont. Mitte März bombardierte Russland einen Söldnerstützpunkt auf dem Jaworow-Schießplatz außerhalb der Stadt und gab an, dass dort bis zu 180 Ausländer, die für Kiew kämpfen wollten, getötet worden seien. Die Ukraine bezifferte die Zahl der Toten auf 35.
Auch aus anderen Teilen der Ukraine gibt es seit Beginn des russischen Angriffs Ende Februar Berichte über die Verfolgung von Ausländern und Minderheiten durch Radikale.
Es gab Vorfälle, bei denen afrikanischen Studenten der Zugang zu Zügen und Bussen verweigert wurde, die Flüchtlinge aus dem Land gebracht hatten. Diejenigen, denen es gelang, die Grenze zu Polen zu erreichen, wurden von Grenzbeamten daran gehindert, sich in dieselbe Reihe mit ukrainischen Staatsangehörigen zu stellen, sie wurden mit dem N-Wort beschimpft und sogar verprügelt. Die Afrikanische Union hat diese Vorfälle als "schockierend, rassistisch und völkerrechtswidrig" verurteilt.
Inder, die in dem Land studieren, berichteten russischen Medien von einer ähnlichen Behandlung. Sie beklagten sich auch darüber, dass sie aus den Luftschutzkellern geworfen wurden und die Einheimischen ihnen sagten, sie würden ihnen nicht helfen, weil Indien Kiew im Konflikt nicht helfe.
Ein Staatsbürger Israels wurde bei dem Versuch, Kiew zu verlassen, erschossen, weil die selbst ernannten "Territorialverteidiger" ihn für einen Tschetschenen gehalten hatten. Kurz vor Beginn der russischen Intervention in der Ukraine kam es im ukrainisch kontrollierten Teil des Donbass zu einem Mord an zwei ethnischen Griechen, die von ukrainischen Soldaten nach einem Streit erschossen wurden.
Das folgende Video zeigt einen Akt der Lynchjustiz in Charkow. Der "Bestrafte" wurde mit einer Flasche Alkohol angetroffen, die selbst ernannten Ordnungshüter vermuteten, dass er diese Flasche gestohlen hatte.
Der Nutzer, der das Video bei Telegram teilte, kommentiert den Vorfall mit den Worten:
"Charkow. Chroniken von den marodierenden Fronten. Während Selenskij für die Überreste der Ukraine eine neue Fantasieroute nach Europa bahnt, halten die Nazis vor Ort Meisterkurse in der Entwicklung des Rechtssystems ab.
Wenn der EGMR, die UNO und andere betroffene Stellen sich über solche Massaker nicht besonders empören, dann ist das offenkundig durchaus eine europäische Methode."
Moskau entsandte im vergangenen Monat Truppen in das Nachbarland, nachdem Kiew sieben Jahre lang die Minsker Vereinbarungen nicht umgesetzt und Russland die abtrünnigen Donbass-Republiken Donezk und Lugansk schließlich anerkannt hatte. Das von Deutschland und Frankreich vermittelte Minsker Protokoll hätte den Status der Regionen innerhalb des ukrainischen Staates regeln sollen.
Russland forderte nun, dass die Ukraine sich offiziell als neutrales Land erklärt, das niemals der NATO beitreten wird. Ein weiteres Ziel der Militäroperation ist die "Entnazifizierung" des Landes, wie Moskau behauptet. Kiew besteht darauf, dass die russische Offensive völlig unprovoziert war, und weist Behauptungen zurück, es habe geplant, die beiden Republiken mit Gewalt zurückzuerobern.
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