Am Mittwoch drohte die korsische Befreiungsbewegung FLNC (Front de libération national de la Corse) in einer Erklärung, die der Zeitung Corse Matin vorliegen soll, mit der Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes. Als Motiv nannte die Organisation die "verächtliche Verweigerung" des französischen Staates gegenüber den Bestrebungen des korsischen Volkes.
Die Drohung wurde ausgesprochen, als der französische Innenminister Gérald Darmanin gerade seinen zweitägigen Besuch auf Korsika begann. Die Insel wird seit zwei Wochen von Unruhen erschüttert, nachdem dem ein Mithäftling einen korsischen Nationalisten in einem französischen Gefängnis angegriffen und ihn schwer verletzt hatte.
Bei dem verletzten korsischen Nationalisten handelt es sich um Yvan Colonna, der wegen der Ermordung des damaligen Präfekten des korsischen Départements Corse-du-Sud Claude Érignac zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Die Tat hatte sich 1998 ereignet, der Prozess gegen Colonna fand 2007 statt. In ihrer Erklärung schreibt die FLNC:
"Wenn der französische Staat weiterhin taub bleibt, dann [...] werden die Straßenkämpfe von heute schnell die Kämpfe des Maquis in der Nacht von morgen sein. [...] Verachtung erzeugt Wut, und Wut führt zu Revolte. Und bei uns führt die Revolte zum Aufstand."
Die FLNC erinnert in seinem Kommuniqué auch an den Wahlkontext und die Siege der Nationalisten auf der Insel in den Jahren 2015 und 2017. Laut der FLNC war die Antwort des französischen Staates auf die Wahlsiege der Nationalisten "Ignoranz [und] Verachtung". Die Befreiungsbewegung beklagt die fehlende "Reaktion der französischen Exekutive [auf] den ungeheuerlichen Mordversuch an Yvan Colonna" und sichert "der kämpfenden korsischen Jugend" ihre Unterstützung zu.
Die FLNC hatte 2014 offiziell die Waffen niedergelegt, nachdem sie vier Jahrzehnte lang einen bewaffneten Kampf mit mehr als 4.500 beanspruchten Anschlägen geführt hatte. Innenminister Darmanin sorgte während seines Besuchs mit kontroversen Äußerungen für Aufsehen. In einem Interview mit der korsischen Tageszeitung am 15. März bekräftigte der Politiker, dass die Regierung bereit sei, "bis zur Autonomie" Korsikas zu gehen.
Darmanin machte eine Diskussion zwischen den korsischen Volksvertretern und der Regierung über diese Frage jedoch von der Rückkehr zur Ruhe abhängig:
"Es kann in einer Demokratie keinen aufrichtigen Dialog unter dem Druck von Agrarbomben und der Präsenz oder Allgegenwart der Ordnungskräfte geben."
Der Minister erkannte "eine Verantwortung des Staates" für den Angriff auf Colonna an und versprach, "die Wahrheit" über diesen Angriff zu ermitteln.
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