Wladimir Medinski, Russlands Chefunterhändler bei den Friedensgesprächen mit der Ukraine, hat erklärt, dass Kiew vorgeschlagen hat, den Status eines neutralen Landes einzunehmen.
"Die Ukraine schlägt ein österreichisches oder schwedisches Modell eines neutralen, entmilitarisierten Staates vor, aber mit eigener Armee und Marine", sagte Medinski am Mittwoch vor Reportern und fügte hinzu, dass "die Größe der ukrainischen Armee" eines der diskutierten Themen sei.
Russland fordert, dass die Ukraine sich offiziell zu einem neutralen Land erklärt und dem von den USA geführten NATO-Militärblock niemals beitreten wird. Derzeit ist die angestrebte Mitgliedschaft in der NATO in der ukrainischen Verfassung als Ziel festgeschrieben. Russland marschierte am 24. Februar in die Ukraine ein und erklärte, dass es unter anderem die "Entmilitarisierung" des Landes anstrebe. Jeden Tag werden die Stellungen und die Infrastruktur der ukrainischen Armee wie Flughäfen, Kasernen oder Waffendepots von Präzisionswaffen beschossen. Kämpfe finden derzeit im Süden, Norden und Osten der Ukraine statt.
Medinski bekräftigte, dass Moskau von Kiew die Anerkennung der Krim als Teil Russlands sowie die Unabhängigkeit der Volksrepubliken Donezk und Lugansk (DVR und LPR) fordert. Die Volksrepubliken spalteten sich im Jahr 2014 kurz nach dem Putsch in Kiew von der Ukraine ab. Weitere wichtige Themen, die Russland am Herzen liegen, sind die "Entnazifizierung" der Ukraine und die Rechte der im Land lebenden russischsprachigen Bevölkerung, so der Verhandlungsführer.
"Es gab gewisse Fortschritte in einigen Fragen, aber nicht in allen", sagte Medinski über die Gespräche mit Kiew.
Kremlsprecher Dmitri Peskow kommentierte das Modell einer ukrainischen Neutralität mit den Worten: "Man kann es als einen gewissen Kompromiss betrachten." Auch Russlands Außenminister Sergei Lawrow nahm am Mittwoch im Gespräch mit dem russischen Fernsehsender RBC Stellung.
Die Gespräche zwischen Moskau und Kiew seien aus offensichtlichen Gründen nicht einfach, sagte er. "Dennoch besteht eine gewisse Hoffnung, einen Kompromiss zu erzielen." Es gebe bereits konkrete Formulierungen, "die meiner Meinung nach kurz vor der Einigung stehen". Dabei geht es Lawrow zufolge darum, dass sich die Ukraine für neutral erklären soll. Dieses werde nun "ernsthaft diskutiert, natürlich in Verbindung mit Sicherheitsgarantien".
Österreich hat sich 1955 für neutral erklärt. Seine Gesetze verbieten es dem Land, Militärbündnissen beizutreten und ausländische Militärstützpunkte auf österreichischem Boden zu unterhalten.
Schweden wird oft als "bündnisfrei" bezeichnet, da es seit langem keine formelle Mitgliedschaft in einem Militärbündnis hat. Es ist kein NATO-Mitglied und hat keine ausländischen Stützpunkte auf seinem Staatsgebiet, beteiligte sich in der Vergangenheit aber dennoch an vielen NATO-Militäreinsätzen wie beispielsweise in Libyen oder Afghanistan.
Als Reaktion auf Russlands Vorgehen in der Ukraine lud die NATO jedoch auch die Nichtmitglieder Schweden und Finnland zur Teilnahme an den Sitzungen des von den USA geführten Blocks ein und beschloss, die Länder in den Austausch nachrichtendienstlicher Informationen einzubeziehen.
Die ukrainische Führung hatte die Bereitschaft signalisiert, mit Russland über eine mögliche Neutralität zu sprechen. Sie erklärte jedoch, dass sie ein "ukrainisches" Modell anstrebe, das Garantien ermögliche, dass internationale Streitkräfte in Zukunft "Angriffe verhindern" würden.
"Die Ukraine befindet sich jetzt in einem direkten Kriegszustand mit Russland. Daher kann das Modell nur 'ukrainisch' sein und nur auf der Grundlage rechtlich überprüfter Sicherheitsgarantien", sagte der ukrainische Chefunterhändler Michail Podoljak in einer vom Büro des Präsidenten Wladimir Selenskij veröffentlichten Stellungnahme.
Er forderte ein rechtsverbindliches Sicherheitsabkommen, das von internationalen Partnern unterzeichnet wird, die "im Falle eines Angriffs auf die Ukraine nicht beiseite stehen würden, wie sie es heute tun".
Der ukrainische Präsident äußerte sich jedoch nicht kategorisch. In einer in der Nacht zu Mittwoch veröffentlichten Videobotschaft sagte er, die Verhandlungspositionen hörten sich inzwischen realistischer an. Bis die Ukraine zufrieden sein könne, dauere es aber noch. "Wir alle wollen so schnell wie möglich den Frieden und einen Sieg", meinte Selenskij. "Aber es braucht Mühe und Geduld. Es muss noch gekämpft und gearbeitet werden." Jeder Krieg ende mit einer Vereinbarung.
Der russische Präsident Wladimir Putin gab am Dienstag im Telefongespräch mit dem Präsidenten des Europäischen Rates Charles Michel seine Einschätzung der Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew an. Er sah die Fortschritte bei den Verhandlungen skeptisch und betonte, dass die ukrainische Seite keine ernsthafte Bereitschaft gezeigt habe, eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden.
Moskau begann die Militäroperation in der Ukraine am 24. Februar, nachdem die Ukraine sieben Jahre lang die Minsker Vereinbarungen nicht umgesetzt hatte und Russland schließlich die Donbass-Republiken Donezk und Lugansk anerkannt hatte. Mit den von Russland, Deutschland und Frankreich im Februar 2015 vermittelten Protokollen sollte der Status dieser Regionen innerhalb des ukrainischen Staates geregelt werden. Kiew beharrt darauf, dass die russische Offensive seitens der Ukraine nicht provoziert wurde, und weist Vorwürfe zurück, die gewaltsame Rückeroberung der beiden Donbass-Republiken geplant zu haben.
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