Großbritannien weigert sich, die Visabestimmungen für Ukrainer zu lockern

Die UN schätzt, dass seit Beginn der russischen Offensive über 1,5 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen sind. Zahlreiche EU-Länder haben zehntausende Menschen aufgenommen. Großbritannien weigert sich indes, die Visabestimmungen für ukrainische Staatsbürger zu lockern.

Der britische Premierminister Boris Johnson hat Forderungen zurückgewiesen, das Vereinigte Königreich solle allen ukrainischen Flüchtlingen, die vor dem Konflikt in ihrem Land fliehen und in Großbritannien Schutz suchen, die Tür öffnen. Er erklärte, seine Regierung wolle in der Lage sein, zu überprüfen, wer die Grenze überschreiten wolle.

In einer Rede am 7. März verteidigte Johnson die Vorgehensweise seiner Regierung. Er erklärte, das Vereinigte Königreich sei ein "sehr, sehr großzügiges Land". Aber die Behörden wollten dennoch "die Kontrolle" behalten und "in der Lage sein, jeden zu überprüfen", der behauptet, aus der Ukraine geflohen zu sein, bevor ihm ein Visum erteilt wird. Johnson sagte: 

"Ich denke, dass es angesichts der Vorgänge in der Ukraine vernünftig ist, dafür zu sorgen, dass wir in der Lage sind, zu überprüfen, wer ins Land kommt."

Er wies damit die Kritik an der langsamen Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge durch Großbritannien zurück. Filippo Grandi, der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, hatte am Sonntag erklärt, dass schätzungsweise mehr als 1,5 Millionen Ukrainer seit Beginn der russischen Militäroffensive am 24. Februar aus ihrem Land geflohen seien.

Trotz der großen Zahl von Geflüchteten, die Sicherheit suchen, gab das britische Innenministerium am Montag bekannt, dass es in der vergangenen Woche nur fünfzig ukrainischen Staatsbürgern im Rahmen einer Regelung zur Einreise von Konfliktflüchtlingen ein Visum erteilt habe.

Die geringe Zahl der vom Vereinigten Königreich gewährten Visa bedeutet, dass nur etwa 1 Prozent der 5.535 Personen, die seit Beginn des Programms in der vergangenen Woche einen Antrag auf Einreise nach Großbritannien gestellt hatten, ins Land gelassen wurden.

Die britische Regierung wurde in der vergangenen Woche von Wohlfahrtsverbänden, Oppositionsabgeordneten und auch von Frankreich für ihr Vorgehen scharf kritisiert. Zuvor hatte das Beharren Londons darauf, dass Flüchtlinge zuerst ein Visum erhalten müssen, dazu geführt, dass einige Ukrainer in der französischen Stadt Calais festsitzen und nicht nach Großbritannien einreisen können. Paris bezeichnete das britische Vorgehen als "völlig unangemessen".

Der britische Europaminister James Cleverly verteidigte die ersten Zahlen und versicherte, dass diese im Laufe des Programms "sehr schnell" ansteigen würden. Unterdessen erklärte Innenministerin Priti Patel, Großbritannien wolle die Vergabe von Visa beschleunigen. Man werde unter anderem das Personal aufstocken, um der Nachfrage nach Terminen nachzukommen, wird Patel in einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters zitiert. Sie sprach ihrerseits von bereits 300 gewährten Einreisegenehmigungen.

In einem Schreiben an die britische Innenministerin vom Samstag hatte der französische Innenminister Gérald Darmanin behauptet, Großbritannien zeige einen "Mangel an Menschlichkeit". Zuvor waren 150 ukrainische Flüchtlinge abgewiesen worden, die nach Calais gekommen waren, um nach Großbritannien weiterzureisen.

Der ukrainische Botschafter in Großbritannien, Wadim Pristaiko, forderte die britische Regierung indessen auf, jeglichen "bürokratischen Unsinn" zu unterbinden, damit die "maximale" Anzahl von Geflüchteten ohne Verzögerung aufgenommen werden könne.

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