Die Freiwilligenverbände, die derzeit die Straßen von Kiew kontrollieren und in den letzten Tagen massiv bewaffnet wurden, haben am Sonnabend den oppositionellen Parlamentsabgeordneten Nestor Schufritsch festgenommen. Auf Youtube und in sozialen Netzwerken kursiert ein kurzes Video, in dem ein Uniformierter den 55-Jährigen am Kragen hält und ihm Vorhaltungen bezüglich seiner politischen Positionen macht.
Der 1966 in Transkarpatien geborene Nestor Schufritsch studierte Geschichte, Pädagogik und Ingenieurwissenschaften und promovierte über ein wirtschaftswissenschaftliches Thema. Sein Vater war ethnischer Ungar, seine Mutter Ukrainerin. Von 1998 bis 2007 war er Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei der Ukraine und gehörte später Janukowitschs linkszentristischer Regionenpartei und nach deren Verbot dem Oppositionsblock an. Mit Ausnahme einer Legislaturperiode gehört er dem ukrainischen Parlament, der Rada, seit 1998 an. Derzeit ist er Vorsitzender des Rada-Ausschusses für Meinungsfreiheit.
Schufritsch spricht neben der russischen und ukrainischen auch die ungarische, slowakische und englische Sprache fließend. RT DE hatte zuletzt am 20. Februar über Schufritsch berichtet, nachdem er in einer Talkshow im ukrainischen Fernsehen verprügelt worden war.
Ukrainische Gesetze lassen die Verhaftung von Abgeordneten ohne einen entsprechenden Parlamentsbeschluss nicht zu. Schon gar nicht haben die Einheiten der "Territorialverteidigung", denen der Uniformierte im Video offensichtlich angehört, derartige Befugnisse. Nach Beginn der russischen Intervention vor neun Tagen hat das Innenministerium allein in Kiew nach eigenen Angaben über 25.000 automatische Schusswaffen ohne Kontrolle und Registrierung an Freiwillige verteilt. Die Gruppierungen beherrschen seitdem die Kiewer Straßen.
Die Sicherheitssituation in der Hauptstadt ist offensichtlich völlig außer Kontrolle. Bereits in der ersten Nacht nach Verteilung der Schusswaffen an die Bevölkerung meldete das Innenministerium 60 getötete "russische Diversanten", wobei in allen überprüfbaren Fällen in Wahrheit unbeteiligte Zivilisten dem Waffeneinsatz zum Opfer fielen oder die Freiwilligen sich irrtümlich gegenseitig beschossen hatten. Seitdem unterlässt es das Innenministerium, über das Kriminalitätsgeschehen in der Stadt zu informieren. Augenzeugen berichten immer wieder von Schusswechseln und einem willkürlichem Vorgehen der "Territorialverteidigung".
Der Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, hat in einer Ansprache vor wenigen Tagen angekündigt, dass jeder Passant, der während der zwischen 18.00 und 8.00 Uhr geltenden Ausgangssperre als "russischer Diversant" betrachtet wird, erschossen werden wird.
Parteifreunde von Nestor Schufritsch haben sich besorgt gezeigt: Die Gefahr ist groß, dass die "Freiwilligen" ihn ermorden werden. Unter ähnlichen Umständen wurde heute in Kiew bereits einer der ukrainischen Delegierten für die Waffenstillstandsverhandlungen mit Russland erschossen.
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