Außenministerin Annalena Baerbock hat die deutsche Zurückhaltung gegenüber Forderungen nach einem Ausschluss Russlands aus dem Banken-Transaktionssystem SWIFT verteidigt. Eine Entkopplung Russlands vom SWIFT-System wirke, anders als die Sanktionierung einzelner Banken, in die Breite, sagte die Grünen-Politikerin am Freitag beim Eintreffen zu einer Sondersitzung der EU-Außenminister in Brüssel.
Dies habe etwa im Iran dazu geführt, dass humanitäre Projekte nicht mehr finanziert werden konnten, so Baerbock. Eine in Europa lebende Enkelin könne so etwa ihrer Großmutter in Russland kein Geld mehr überweisen. Aber jene, die für das Blutvergießen verantwortlich seien, würden dennoch Wege für ihre Finanztransaktionen finden.
Baerbock sagte, deswegen würden "für diesen Moment, ich betone für diesen Moment", die großen Banken auf die Sanktionsliste gesetzt. Man werde prüfen, wie die Probleme der Breitenwirkung eines SWIFT-Ausschlusses aus dem Weg geräumt werden könnten. Maßnahmen wie die Sanktionierung des SWIFT-Abkommens würden "sehr scharf klingen", sagte Baerbock. "Aber in diesen Momenten muss man trotz allem, was einem gerade durch den ganzen Körper, durchs Herz geht, einen kühlen Kopf bewahren."
Nun sei es wichtig, Sanktionen auf den Weg zu bringen, "die gezielt auf das Machtsystem wirken und die nicht nur groß klingen".
Über das EU-Paket an Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegen Russland sagte Baerbock laut dpa:
"Das wird Russland ruinieren."
Mit dem russischen Präsidenten Putin und dem russischen Außenminister Sergei Lawrow würden zudem auch jene mit klaren Sanktionen belegt, "die für diese Furchtbarkeit an den Menschen in der Ukraine" verantwortlich seien. Die EU plant Vermögenssperren gegen den russischen Präsidenten und den Außenminister persönlich.
"Wir treffen das System Putin dort, wo es getroffen werden muss, eben nicht nur wirtschaftlich und finanziell, sondern in seinem Machtkern", sagte Baerbock. Putin und Lawrow seien verantwortlich dafür, "dass das internationale System mit Füßen getreten wird. Und das nehmen wir als Europäerinnen und Europäer nicht hin." Baerbock sprach von einer politischen und wirtschaftlichen Isolation "des russischen Regimes".
Zu einer vollkommen anderen Einschätzung kam der Präsident des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo, Clemens Fuest: "Dass man sich überhaupt schnell auf Sanktionen geeinigt hat, ist positiv." Die Sanktionen seien aber insgesamt schwach, so Fuest:
"Sie werden die russische Regierung kaum beeindrucken."
Laut Irlands Außen- und Verteidigungsminister Simon Coveney, sollten vorerst keine Reiseverbote verhängt werden, da es immer eine Öffnung für Dialog und diplomatisches Engagement geben müsse. Die europäischen Staats- und Regierungschefs hatten am Donnerstagabend beschlossen, die Sanktionen gegen Russland noch einmal zu verschärfen. Neben Kapitalsperren und einem Ausfuhrstopp für einige Hightech-Bauteile sieht das Paket auch persönliche Sanktionen gegen die russische Führung vor, wie diese bereits gegen den syrischen Präsidenten zur Anwendung gekommen waren. Die gesamte Namensliste soll zeitnah veröffentlicht werden. Das endgültige Sanktionspaket wird am Freitagabend nach einem Treffen der EU-Außenminister vorgestellt.
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