eine Analyse von Bernhard Loyen
Am 23. Februar informierte die Deutsche Telekom auf ihrer Webseite darüber, dass zwischen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der dem Unternehmen zugehörigen Tochtergesellschaft T-Systems ein Vertrag abgeschlossen wurde. Über diesen habe "die WHO T-Systems als Industriepartner an Bord" geholt, um von dem zukünftigen Partner eine Software-Schnittstelle für COVID-19-Zertifikate entwickeln zu lassen. Ziel sei es dadurch, den "194 Mitgliedsstaaten das Einführen digitaler Impfzertifikate zu erleichtern", um damit als "Lösung" Ländern die Prüfung von elektronischen Nachweisen "zu ermöglichen". Zu den ausschlaggebenden Gründen für die Kooperation äußerte sich Garrett Mehl, Leiter für Digital Health und Innovation bei der WHO, wie folgt:
"COVID-19 betrifft alle. Die Länder kommen daher nur gemeinsam aus der Pandemie. Fälschungssichere und digital überprüfbare Impfnachweise schaffen Vertrauen. Die WHO unterstützt die Mitgliedsstaaten daher beim Aufbau nationaler wie regionaler Vertrauens-Netzwerke und Prüftechnologie."
Adel Al-Saleh, Mitglied im Vorstand der Deutschen Telekom und CEO von T-Systems, erklärte, dass "Gesundheit ein strategisches Wachstumsfeld für T-Systems" darstelle. Daher würde der nun abgeschlossene und "gewonnene Auftrag" das "Engagement in der Branche unterstreichen". Al-Saleh betonte:
"Corona hat die Welt im Griff. Digitalisierung hält sie am Laufen. Digitale Impfzertifikate wie das der EU sind hierfür der Schlüssel. Wir freuen uns, dass wir die WHO im Kampf gegen die Pandemie unterstützen können."
Bei dem Millionendeal geht es im Detail darum, dass die WHO zeitnah europaweit die Einführung digital verknüpfter Impfzertifikate einführen möchte. Die WHO benötigt dazu laut eigenen Angaben ein sogenanntes Gateway. Dabei handelt es sich um eine Hardware- oder Softwarekomponente, die eine Verbindung zwischen zwei unterschiedlichen Systemen herstellt. Der Begriff stammt aus der Informations- und Kommunikationstechnik. Ein IT-System, das seinen Kommunikationspartner nicht direkt kennt, wendet sich daher an sein Gateway. Das Gateway wird laut Telekom-Informationen daher mit "anderen Teilen des Systems zusammenarbeiten, die bereits von der WHO entwickelt wurden".
Gemeinsames Ziel ist es, dass die seitens der WHO von T-Systems nun bestellte Gateway-Variante zeitnah die Überprüfung von QR-Codes auf elektronischen Impfnachweisen über Ländergrenzen hinweg ermöglichen soll. Die Telekom und die WHO erklären, dass "nach COVID-19 als Standard-Verfahren" zukünftig vorinstallierte Geräteinformationen dann auch "für andere Impfungen wie Polio oder Gelbfieber" dienen könnten.
Beide betonen explizit, dass "Gateway dem strengen Datenschutz der Europäischen Union, der Datenschutzgrundverordnung", entsprechen würde. Der geplante Dienst soll demnach die Corona-Überwachungs-Apps grenzüberschreitend funktionsfähig machen. Das EU-Gateway für die Impfzertifikate stammt ebenfalls schon von T-Systems. Es wird zum Beispiel für den deutschen Grünen Pass genutzt. Das Finanzportal Finanznachrichten.de fasst in einem Artikel die bisherige Rolle der Telekom-Tochter T-Systems in den zurückliegenden zwei Jahren zusammen:
"In Deutschland hat T-Systems zusammen mit dem größten europäischen Softwarehaus SAP die Corona-Warn-App (CWA) zur Eindämmung der Corona-Infektionsketten entwickelt und betreibt die Infrastruktur dafür. T-Systems hatte in diesem Zusammenhang auch den European Federation Gateway Service (EFGS) aufgebaut. Der Dienst sorgt dafür, dass Corona-Tracing-Apps der Mitgliedsstaaten grenzüberschreitend funktionieren. Die Telekom-Tochter hat weiterhin bereits das EU-Gateway für Impfzertifikate entwickelt, das unter anderem von der CovPass-App in Deutschland und ähnlichen Anwendungen in anderen EU-Mitgliedsstaaten und zahlreichen Nicht-EU-Ländern genutzt wird."
Laut dem Artikel sind die Kosten und der Umfang des aktuellen Deals zwischen der WHO und der Telekom unbekannt. Bekannt sind jedoch die Kosten für die Bundesregierung hinsichtlich Ausgaben für Entwicklung und Betrieb der Corona-Warn-App. Der Webseite Golem.de zufolge hat die Bundesregierung bisher mehr als 130 Millionen Euro für die Nutzung ausgegeben. Jede von einem positiv getesteten Nutzer über die Corona-Warn-App gesendete Warnung habe die Steuerzahler bislang rund 100 Euro gekostet. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion aus dem Januar 2022 hervor.
Weiter heißt es in dem Artikel: "Den Angaben der Bundesregierung zufolge haben SAP und Telekom für Entwicklung und Betrieb der App im Jahr 2020 knapp 53 Millionen Euro erhalten, für Weiterentwicklung und Betrieb im vergangenen Jahr erhielten die beiden Firmen gut 63,5 Millionen Euro. Die Betriebskosten lagen dabei im Jahr 2021 bei monatlich knapp vier Millionen Euro."
Am 22. Februar informierte die Ärztezeitung darüber, dass die EU-Kommission an Plänen arbeite, wonach das Ausstellen von Corona-Genesenenzertifikaten bald auch nach positiven Antigen-Schnelltests möglich wäre. Somit wäre nicht mehr alleinig ein positiver PCR-Test vonnöten, um ein digitales Zertifikat zu erhalten. Dafür wäre hierzulande zumindest jedoch eine Anpassung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung notwendig. Nach Ansicht der EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides würde mit einer dementsprechenden Änderung "ein Teil des erheblichen Drucks auf die nationalen Screening-Kapazitäten gelindert werden".
Garrett Mehl wird auf der Webseite der Telekom zum Thema der bald europaweit einheitlichen COVID-19-Zertifikate mit der Ankündigung zitiert: "Das Gateway-Angebot der WHO versteht sich auch als Brücke zwischen regionalen Systemen. Es kann auch als Teil künftiger Impfkampagnen und Patientenakten verwendet werden."
Ab dem Sommer 2022 werden Einwohner der kanadischen Provinz Québec eine digitale Identität erhalten. Dies wird das erste Projekt der Société québécoise d’identité numérique (SQIN) darstellen, die von dem extra neu geschaffenen Ministerium für Cybersicherheit und Digitalisierung unter der Leitung von Éric Caire ins Leben gerufen wurde. Caire sagte in einem Interview:
"Die digitale Identität ist die Gesamtheit der Komponenten, die es ermöglichen, eine Person auf digitale Weise zu identifizieren und zu authentifizieren. Wir verwenden Technologien, die sich bereits bewährt haben, insbesondere in der Welt des Rechts, für die Übermittlung von Rechtsdokumenten."
In einem Blog-Beitrag wird darauf hingewiesen, dass sich auf der Webseite der WHO in einer Veröffentlichung vom August 2021 mit dem Titel "Digital documentation of COVID-19 certificates" (Seite 99, "Personal Data") folgende Auflistung absehbarer Abspeicherungen von Zertifikaten und/oder Patientenakten von Bürgern findet:
"Zu den personenbezogenen Daten gehören: biografische Daten (Personaldaten) wie Name, Geschlecht, Personenstand, Geburtsdatum und -ort, Herkunftsland, Wohnsitzland, individuelle Registrierungsnummer, Beruf, Religion und ethnische Zugehörigkeit; biometrische Daten wie ein Foto, ein Fingerabdruck, ein Gesichts- oder Irisbild; Gesundheitsdaten sowie jegliche Meinungsäußerung über die Person, wie z. B. Bewertungen ihres Gesundheitszustands und/oder ihrer spezifischen Bedürfnisse."
Welche Auswirkungen bei Nichtbeachtung oder kurzfristigen Aktualisierungen entsprechender Apps absehbar daraus resultieren, zeigt folgendes Beispiel:
Ulrike Guérot, deutsche Politikwissenschaftlerin und Publizistin, forderte am 23. Februar hinsichtlich der kommenden digitalen Wende in Kanada in einem Twitter-Beitrag daher:
"Es ist dringend notwendig, in der UN-Charta ein Recht auf analoges Leben zu verankern!"
In der Gesamtbetrachtung vollziehen die genannten Großaufträge, Ministerien für Cybersicherheit und Digitalisierung sowie angekündigte EU-Pläne nachweisliche Weichenstellungen auf dem Weg hin zu einer vollkommenen Digitalisierung gesamtgesellschaftlicher Ebenen in Verbindung von Datenverknüpfungen über Landesgrenzen hinweg: der totalen Scannung und Durchleuchtung – noch – individueller Biografien.
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