Der russische Botschafter in Serbien Alexander Arkadjewitsch Bozan-Chartschenko hat im Exklusiv-Interview mit RT DE erklärt, dass die Europäische Union im Rahmen der Beitrittsverhandlungen "enormen Druck" auf das Land ausübe – mit dem Ziel, die Beziehungen des Landes zu Russland einzuschränken:
"Besonders aktiv wurde dieser wahrscheinlich beispiellose Druck ab 2014 ausgeübt und [das] setzt sich dann mit unterschiedlicher Intensität mit dem Ziel fort, Serbien zu zwingen, sich den antirussischen EU-Sanktionen anzuschließen."
Der Druck des europäischen Staatenblocks habe jedoch dieses erhoffte Ziel nicht durchsetzen können. Der vielseitige diplomatische Kurs Belgrads entspreche nämlich genau den nationalen Interessen des Landes.
"Es ist ein in der Geschichte bewährter Kurs, der dem Land konkrete Resultate im Laufe der früheren Beratungen mit der EU vorweisen kann, als dieser Druck und diese absolut inakzeptablen Versuche zur Sprache kamen, Serbien vor die Wahl (zwischen der EU und Russland) zu stellen."
Vor eine solche Wahl werde nicht nur Serbien gestellt:
"Diese Politik wird in Bezug auf viele Länder angewandt. Entweder sie fahren in der Zusammenarbeit und den Beitrittsverhandlungen mit der EU fort oder sie entwickeln die Beziehungen zu Russland weiter."
Als konkretes Beispiel für die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Serbien und Russland, von der Belgrad profitiere, nannte Bozan-Chartschenko das Gebiet der Pandemiebekämpfung – etwa in Gestalt der Beschaffung des russischen Impfstoffes Sputnik V durch Serbien.
Auch im Wirtschaftsleben gebe es enge Beziehungen zwischen beiden Staaten:
"Tatsächlich handelt es sich um hier um deutlich größere und langfristigere Projekte, wie ich nochmals anmerken möchte, sogar im Vergleich zu vielen Projekten, die mit der Unterstützung der EU oder einzelner EU-Mitgliedsstaaten verwirklicht werden."
Die Ablehnung der serbischen TV-Sendelizenz für RT DE durch deutsche Behörden trotz eines entsprechenden gültigen europäischen Abkommens sei in Belgrad "extrem negativ" aufgenommen worden, so der Botschafter. Die Entscheidung der deutschen Behörden sei "ein Schlag gegen RT". Zudem habe das zu einer "erniedrigenden Situation" für Serbien geführt.
Trotz aller Anstrengungen westlicher Staaten, ihre mediale Präsenz in Serbien auszubauen, seien russische Medien im Land weiterhin im Vorteil:
"Sputnik ist hier sehr gefragt. Informationen aus Russland in Form von Video, Audio oder Text sowie alle russischen Informationsquellen genießen hier eine enorme Nachfrage. Obwohl wir leider ganze Informationskonzerne haben wie die Angelsachsen, so ist trotzdem das Interesse an unseren Medien und ihre Nachfrage hier enorm."
Es gebe Pläne, die russische mediale Präsenz, vor allem über RT, in Serbien zu verstärken, etwa durch die Ausstrahlung von Medien in serbischer Sprache.
Belgrad zeige gegenüber dem russischen Standpunkt bezüglich der Gewährung von Sicherheitsgarantien gegenüber Moskau durch die NATO ein "enormes Maß an Verständnis", betonte der russische Diplomat. Es sei "undenkbar", dass sich Serbien für die NATO entscheidet. Dafür gebe es keine Unterstützung durch die Bevölkerung. Serbien lehne als neutrales Land die Osterweiterung dieser Militärallianz ab. Auch habe die Aufnahme ehemals jugoslawischer Staaten in die NATO "nicht zu einer Stärkung der Sicherheit, sondern – im Gegenteil – zu neuen Trennlinien, zu neuen Bedrohungen und zu neuen Gegensätzen" geführt. Die NATO habe außer ihrer Ideologie nichts anzubieten.
Die Energieversorgung und -sicherheit Serbiens werde durch Projekte dank russischer Unterstützung mit gewährleistet. Serbien werde als Transitland gestärkt.
Die Zusammenarbeit zwischen Russland und Serbien, einschließlich ihrer militärischen Komponente, stehe in "voller Übereinstimmung mit den internationalen Verpflichtungen (beider Staaten), mit internationalen Abkommen und UN-Regeln".
Angesprochen auf die chinesischen Aktivitäten im Land, erklärte der Botschafter, dass in manchen Bereichen Russland erfolgreicher sei, in anderen China. Für Serbien sei die Präsenz beider Staaten vorteilhaft, und der Westen setze sich gegen beide ein. Moskau wolle mit China "zusammenarbeiten und keine Differenzen kultivieren".
Es gebe zwischen Serbien und Russland auch ein gleichartiges Verständnis über das Andenken an den Zweiten Weltkrieg und die Ablehnung des Geschichtsrevisionismus, das sowohl zwischen den Regierungen als auch zwischen den einfachen Bürgern beider Staaten bestehe.
Der Grund für die aktuelle Krise in Bosnien-Herzegowina sei laut dem russischen Botschafter die "Doppelmoral des Westens sowie die Missachtung und Verwässerung von Verträgen". Es gebe diesbezüglich eine direkte Parallele zur Situation in der Ukraine, also zur Nichtumsetzung des Minsker Abkommens durch Kiew. Der Westen erstrebe, das Dayton-Abkommen, welches den Bosnienkrieg beendete, zu verwässern.
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