Der tschechische Sicherheitsinformationsdienst (BIS) verfüge über keine Beweise dafür, dass russische Geheimdienstoffiziere an den Explosionen in dem Munitionslager nahe dem tschechischen Vrbětice (einem Ortsteil der Gemeinde Vlachovice) im Jahr 2014 beteiligt waren. Dies sagte Tschechiens Präsident Miloš Zeman am Sonntag in einem Interview dem Sender CNN Prima NEWS. Damit widersprach er direkt dem früheren Untersuchungsbericht des tschechischen Inlandsgeheimdienstes, der den russischen Militärnachrichtendienst GRU für die Vorfälle verantwortlich gemacht hatte. Zeman sagte:
"Der Sicherheitsinformationsdienst hat keine Beweise oder Zeugen, die darauf hindeuten würden, dass russische Agenten sich in den Militärdepots in Vrbětice aufgehalten hätten."
Im Oktober und Dezember 2014 ereigneten sich in zwei Munitionslagern in Vrbětice im Südosten Tschechiens Explosionen, bei denen zwei Menschen ums Leben kamen. Prag ging davon aus, dass in den Depots Munition gelagert wurde, die über den bulgarischen Waffenhändler Emilian Gebrew in die Ukraine geliefert werden sollte. Um den Waffenverkauf an Kiew zu stoppen, seien nach Angaben der Prager Behörden angeblich Agenten des russischen militärischen Geheimdienstes GRU nach Vrbětice entsandt worden, um die Waffen zu zerstören.
Im Zusammenhang mit den Vorfällen setzte daraufhin die tschechische Polizei die russischen Staatsbürger Ruslan Boschirow und Alexander Petrow auf die Fahndungsliste. Die beiden Männer waren früher bereits von britischen Ermittlern als Tatverdächtige im Fall des angeblichen Nowitschok-Anschlags auf den ehemaligen russischen GRU-Offizier und Doppelagenten Sergei Skripal und dessen Tochter Julija im britischen Salisbury im März 2018 identifiziert worden. Boschirow und Petrow wiesen alle Vorwürfe jeglicher Beteiligung an den Explosionen zurück. Anfang dieses Jahres ließ man in Prag auch den ehemaligen russischen Militärangehörigen und tschechischen Staatsbürger Nikolai Schaposchnikow wegen der gleichen Vorwürfe zur Fahndung ausschreiben.
Im April vergangenen Jahres erreichte der russisch-tschechische Konflikt seinen Höhepunkt, als die beiden Länder gegenseitig Diplomaten des jeweils anderen Staates auswiesen. Im Monat darauf setzte Moskau Tschechien demzufolge noch auf seine sogenannte Liste der unfreundlichen Staaten. Der Kreml wies alle Andeutungen über eine mutmaßliche Verwicklung Moskaus stets zurück und erklärte, die Anschuldigungen beruhten auf "weit hergeholten Vorwänden".
Die jüngste Erklärung Zemans ist nicht das erste Mal, dass der 77-Jährige dem BIS-Bericht im Zusammenhang mit den Explosionen in Vrbětice öffentlich widerspricht. Im April vergangenen Jahres war der tschechische Staatschef deswegen bereits von Senatoren ins Visier genommen worden, die ihm dabei unterstellten, er handelte nicht mehr "im Interesse der Tschechischen Republik".
Die Ansichten des Präsidenten stehen auch in direktem Widerspruch zu denen des Regierungschefs Andrej Babiš, der das Land de facto regiert. Babiš gab zwar dem GRU die Schuld für die Explosionen, lehnte es jedoch ab, von einem russischen Angriff auf die Tschechische Republik zu sprechen.
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