Die Beziehungen zwischen Moskau und Berlin sind infolge zahlreicher Konflikte auf einem Tiefpunkt. Im Zusammenhang mit dem Mord an einem in Russland als Terrorist gesuchten Georgier hat Deutschland dem offiziellen Moskau "Staatsterrorismus" vorgeworfen. Beide Länder wiesen gegenseitig Diplomaten aus. Deutschland macht Russland auch für Hackerangriffe auf den Deutschen Bundestag 2015 verantwortlich, ebenso für den angeblichen Anschlag auf den Kremlgegner Alexei Nawalny mit dem international geächteten chemischen Kampfstoff Nowitschok. Russland verlangt überprüfbare Beweise für diese Behauptung – bislang ergebnislos.
Vor Baerbocks Besuch hatte sich das russische Außenministerium enttäuscht über den aktuellen Stand der Beziehungen zwischen Russland und Deutschland gezeigt. Moskau erinnerte an die Rolle der Bundeswehr an der NATO-Ostflanke, an die deutsche Billigung der EU-Sanktionspolitik und an die Ausweisung russischer Diplomaten. Darüber hinaus kritisierten die russischen Diplomaten die Kampagne gegen RT DE und vor allem gegen dessen Fernsehredaktion. Dies stehe im Widerspruch zu den Verpflichtungen Deutschlands bezüglich der Sicherstellung von Meinungs- und Pressefreiheit.
Das Medium ist bereits seit Jahren – auch vor dem TV-Sendestart – Schikanen und Vorwürfen ausgesetzt. Die Frage, wie Deutschland solche Einschänkungen der Pressefreiheit toleriert, wird voraussichtlich während der Pressekonferenz angesprochen werden.
Lawrow ist bereits seit fast 18 Jahren russischer Chefdiplomat und damit der am längsten amtierende Außenminister in Europa. Der 71-Jährige hatte Baerbock im Dezember zum Amtsantritt gratuliert und seine Hoffnung auf regelmäßige konstruktive Kontakte geäußert. Die deutschen Medien schrieben, die junge Bundesaußenministerin stünde in Moskau vor einer "Feuerprobe". Das Treffen wird international mit Spannung erwartet.
Vergangene Woche hatte es weitgehend ergebnislose Verhandlungen zwischen den USA und Russland, im NATO-Russland-Rat sowie im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) gegeben. In den heutigen Gesprächen will sich Baerbock auch um die Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine unter Vermittlung Deutschlands und Frankreichs im Normandie-Format bemühen. Zuletzt gab es 2019 in Paris ein Treffen auf höchster diplomatischer Ebene.
Die Außenministerin Annalena Baerbock hat vor dem Treffen mit ihrem Kollegen in Moskau die Ausstellung "Diversity United" ("Vielfalt vereint") besucht. Die von der Bundesregierung geförderte Schau in der weltberühmten Tretjakow-Galerie wurde im Rahmen des Deutschland-Jahres in Russland im November 2021 eröffnet.
Die Ausstellung widmet sich solchen in Russland umstrittenen Fragen wie Geschlechteridentität und dem Streben nach Freiheit. Sie zeigt Werke von 90 zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern aus 34 Ländern – Skulpturen, Gemälde, Illustrationen, Videos oder Fotografien. Gemeinsamer Nenner ist das grenzüberschreitende politische Engagement. Die Künstler befassen sich mit gesellschaftlichen Fragen wie der Demokratie, der Migration, dem Miteinander, der Umwelt oder der Gleichberechtigung.
Anschließend legte Baerbock einen Kranz am Grabmal des unbekannten Soldaten vor der Moskauer Kremlmauer nieder.