Ob jemand hätte ahnen können, dass Gorbatschows Perestroika, die bei Millionen Menschen im In- und Ausland Hoffnung auf eine Erneuerung weckte, in einem Desaster enden würde? Statt eines positiven Wandels kamen Staatszerfall, Armut, Nationalismus, mehrere Bürgerkriege und ungezügelte organisierte Kriminalität. Zwischen dem verkündeten Umbau und dem Ende der Sowjetunion vergingen nur sechs Jahre.
Zu plötzlich und zu unberechnbar kamen die Reformen, meint RT DE-Korrespondentin Nina Sang:
"Wo die Absicht Evolution war, wurde das Ergebnis Revolution. Nationalismus verbreitete sich mit erschreckender Geschwindigkeit. Misstrauen wurde gesät, Nachbarn gingen aufeinander los."
Entgegen den Behauptungen Stanislaw Schuschkewitschs, einem Unterzeichner des Vertrages von Belowesch, der am 8. Dezember 1991 die Sowjetunion für nicht existent erklärte, waren die Kriege, die die Auflösung des riesigen Unionsstaates begleiteten, durchaus blutig:
- Erster Bergkarabachkrieg 1988-1994
- Transnistrien-Konflikt 1990-1992
- Georgisch-Abchasischer Krieg 1992-1993
- Tadschikischer Bürgerkrieg 1992-1997
- Erster Tschetschenienkrieg 1994-1996
Der Vorsitzende des Obersten Rates der Republik Weißrussland verkündete, die Aufteilung des "Riesenimperiums" und der nuklearen Supermacht sei völlig ohne Blutvergießen vonstattengegangen: "Kein einziger Tropfen Blut wurde vergossen."
Die Realität war jedoch eine andere. Wirtschaftliche, politische und soziale Strukturen brachen zusammen und Tausende Menschen starben. Mafia, Betrug und Korruption hielten Einzug. Während die Unionsrepubliken unabhängig wurden, war die Situation für die Russische Föderation, die Rechtsnachfolgerin der Sowjetunion, besonders dramatisch:
Laut dem russischen Präsidenten Wladimir Putin wurde die Bevölkerung des "historischen Russlands", wie er die Sowjetunion bezeichnet, halbiert. Zudem verlor Russland die Hälfte seiner Industrie.
Aber war die Zeit nach der Sowjetunion tatsächlich so "schlecht"? Zwar schwelgen heute viele Bürger Russlands in Nostalgie über die Sowjetzeiten, schätzen aber gleichzeitig die Vorteile, die Gorbatschows "Umbau" mit sich brachte wie die Reise- oder Meinungsfreiheit. Und dennoch: 62 Prozent der Bürger bedauern den Zerfall der UdSSR. Auf der politischen Ebene wünschen sich die Russen Respekt für ihr Land. Die RT DE-Korrespondentin stellt fest: "Putins Plan macht dem Westen Angst."
"Die Sowjetunion ist seit 30 Jahren Geschichte, aber trotzdem lebt die Sowjetunion weiter – in den Erinnerungen der Bürger, die an die glorreichen Tage zurückdenken und in den Köpfen der Rivalen Russlands, die immer noch in Blöcken und Supermächten denken. So prägt die Sowjetunion 30 Jahre nach ihrem Tod unsere Zukunft."
In dem 22-minütigen Beitrag kommen Passanten in den Moskauer Straßen, Korrespondenten westlicher Medien, die die Ereignisse von damals aus der nächsten Nähe beobachteten, sowie Historiker und Politiker zu Wort. Auch einen Abstecher nach Berlin ins DDR-Museum gibt es. Am Ende des Beitrages befassen sich die Gesprächspartner mit der Frage: "Ist die Welt ohne die Sowjetunion zu einem besseren Ort geworden?"
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