Konfrontation zwischen Warschau und EU-Kommission: Polens Premier spricht vom "Dritten Weltkrieg"

Der zwischen Warschau und Brüssel geführte Streit über die Kompetenzen des EuGH droht weiter zu eskalieren. Polens Premier spricht im Zusammenhang mit dem Konflikt vom "Dritten Weltkrieg". Die Vizepräsidentin des Europaparlaments warnt davor, dass Polen und Ungarn die EU gefährden.

Der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki hat die EU davor gewarnt, "mit der Pistole an unserem Kopf" zu agieren. Er erklärte, Warschau werde sich mit allen Mitteln verteidigen, wenn die EU einen "dritten Weltkrieg" vom Zaun brechen sollte, indem sie die Corona-Hilfen für sein Land zurückhalte.

Die scharf formulierte Aussage des polnischen Premierministers erfolgte, nachdem die Europäische Kommission gedroht hatte, Warschau Zuschüsse und Kredite in Milliardenhöhe vorzuenthalten. Dies geschah in Reaktion auf eine umstrittene Entscheidung des Verfassungsgerichts des Landes, das nationalen Gesetzen Vorrang vor denen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) eingeräumt hatte.

"Was wird passieren, wenn die Europäische Kommission einen dritten Weltkrieg anfängt? ... Wir werden unsere Rechte mit allen uns zur Verfügung stehenden Waffen verteidigen", erklärte Morawiecki auf die Frage der Financial Times, ob Polen nun ein Veto gegen wichtige Gesetze wie das wichtige Klimapaket der EU einlegen könnte.

Der polnische Premier betonte in dem Interview, dass Warschau "dies bereits als diskriminierend und als eine Art Diktat" Brüssels empfinde. "Aber wenn es noch schlimmer wird, müssen wir unsere Strategie überdenken", fügte er hinzu.

Morawiecki bezeichnete die Zurückhaltung des Zuschusses in Höhe von 36 Milliarden Euro für den Wiederaufbau nach der COVID-19-Pandemie durch die Europäische Kommission als "Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit" und erklärte, Polen werde "nicht kapitulieren". Um einen Kompromiss zu finden, so fügte er hinzu, sollte die EU ihre jüngste Entscheidung rückgängig machen, Warschau mit einer täglichen Geldstrafe zu belegen, bis es die EuGH-Entscheidungen zur Justizreform umgesetzt hat. Er ergänzte: 

"Das wäre das Klügste, was sie tun könnten, denn dann würden wir nicht mit vorgehaltener Waffe miteinander reden. Genau diese Situation führt dazu, dass wir relativ wenig Lust auf weitere Handlungen haben."

Morawiecki fasste seine jüngsten Gespräche mit den Staats- und Regierungschefs der EU – darunter die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel, der französische Präsident Emmanuel Macron und die Chefin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen – dennoch als "sehr zufriedenstellend" zusammen und erklärte, dass trotz der oben erwähnten Meinungsverschiedenheiten keine Gefahr eines "Polexit" bestehe.

Barley: Die EU ist gefährdet

Doch die Vizepräsidentin des Europaparlaments Katarina Barley warnte nun in einem Interview mit dem Sender ntv vor einem Zerfall der Europäischen Union. Mit dem Urteil des polnischen Verfassungsgerichtshofs habe sich die Regierung in Warschau aus der europäischen Rechtsgemeinschaft verabschiedet, sagte die SPD-Politikerin. Sie betonte: 

"Ich sehe die konkrete Gefahr, dass wenn wir jetzt nichts unternehmen, wird die Europäische Union so jedenfalls nicht mehr bestehen wird."

Laut Barley arbeiten Polen und auch Ungarn bereits seit Jahren daran, "unser Verständnis von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu verändern". Budapest und Warschau begnügten sich nicht damit, in ihren eigenen Ländern die Unabhängigkeit der Justiz abzuschaffen, sondern wollten das in die gesamte Europäische Union übertragen. Der "Lawineneffekt" sei von Ungarn ausgegangen und erstrecke sich nun auch auf andere Staaten wie etwa Polen, aber inzwischen auch Slowenien. 

Laut Barley herrschen in Ungarn bereits "Verhältnisse, da kann man schon fast nicht mehr von Demokratie reden". Der ungarische Regierungschef Viktor Orbán habe seine Macht total zementiert. "Er wird sie auch nicht abgeben, selbst wenn er abgewählt werden sollte", so Barley. Orbán habe demnach da "Mechanismen eingebaut, dass er nachher immer noch die Fäden in der Hand hält". Das sei dann auf Polen übergeschwappt, warnte die SPD-Politikerin. Die EU müsse jetzt "endlich konsequenter handeln".

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