Regierungskrise in Österreich: Druck auf Kanzler Kurz steigt

Rücktrittsforderungen, ein mögliches Misstrauensvotum und Spannungen mit dem Koalitionspartner: Österreichs Kanzler Kurz scheint mit dem Rücken zur Wand zu stehen. Doch vorerst gibt es keine Anzeichen für einen Rückzug. Seine Partei steht geschlossen hinter ihm.

Nach Korruptionsvorwürfen gegen Österreichs Kanzler Sebastian Kurz erhöhen die mitregierenden Grünen und die Opposition den Druck auf den konservativen Regierungschef massiv. Der grüne Vizekanzler Werner Kogler erklärte am Donnerstag:

"Wir können nicht zur Tagesordnung übergehen, die Handlungsfähigkeit des Bundeskanzlers ist vor diesem Hintergrund in Frage gestellt."

Angesichts der Regierungskrise zitierte der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Chefs aller Parteien zu Gesprächen in die Präsidentschaftskanzlei.

Am Mittwoch hatten Staatsanwälte unter anderem das Bundeskanzleramt und die Parteizentrale der konservativen österreichischen Volkspartei (ÖVP) durchsucht.

Kurz spielte den Ball jedoch an die Grünen zurück. Er hoffe auf eine Fortsetzung der bislang erfolgreichen Koalition, sagte er und fügte hinzu:

"Wenn die Grünen also nicht mehr diese Zusammenarbeit fortsetzen wollen und sich andere Mehrheiten im Parlament suchen wollen, dann ist das zu akzeptieren."

Eine Koalition jenseits der ÖVP wäre rein rechnerisch zumindest auf die Duldung der rechten FPÖ angewiesen.

Laut der österreichischen Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) stehen enge Mitstreiter von Kurz im Verdacht, eine entgegenkommende Berichterstattung eines Medienunternehmens erkauft zu haben, um Kurz ab dem Jahr 2016 den Weg an die Parteispitze und in das Bundeskanzleramt zu ebnen. Dafür soll mehr als eine Million Euro aus dem Finanzministerium zweckentfremdet worden sein. Die Ermittler sehen Kurz an Straftaten wie Untreue und Bestechlichkeit beteiligt. Der 35-Jährige weist alle Anschuldigungen zurück.

Die Oppositionsparteien kündigten ein Misstrauensvotum im Parlament für die kommenden Tage an, falls Kurz nicht zurücktreten sollte. Pamela Rendi-Wagner, die Chefin der Sozialdemokratischen Partei Österreichs, sagte:

"Er kann diese Funktion und dieses Amt jetzt nicht mehr ausführen, ohne dass es Schaden nimmt, ohne dass Österreich Schaden nimmt."

Ähnlich äußerten sich die Chefs der liberalen Neos und der rechten FPÖ. Eine Neuwahl forderten die Oppositionsparteien jedoch nicht.

Um Kurz im Parlament aus dem Amt zu wählen, benötigt die Opposition Stimmen von den Grünen, die mit der ÖVP regieren. Der grüne Parteichef Kogler erwähnte in einer Stellungnahme diese Option zwar nicht, kündigte aber Gespräche mit allen Parlamentsparteien an. "Wir müssen gemeinsam für Stabilität und Aufklärung sorgen und darum möchte ich parteiübergreifend das weitere Vorgehen beraten", sagte er.

Olga Voglauer, Co-Vizefraktionschefin der Grünen, brachte Kurz' Rückzug indirekt als Maßnahme für eine Fortführung der Regierung ins Spiel. Sie erklärte:

"Wir haben eine Koalition mit der ÖVP, nicht mit Sebastian Kurz."

Doch seine Partei steht geschlossen hinter Kanzler Kurz. Die ÖVP-Minister erteilten dem Plan der Grünen eine Absage. Die Zusammenarbeit mit den Grünen könne nur mit Kurz fortgesetzt werden, betonten sie in einer gemeinsamen Erklärung.

Kurz hatte bereits in einem Fernsehinterview am Mittwochabend klargestellt, dass er nicht an einen Rücktritt denke. Am Donnerstag stärkten ihm die Chefs der ÖVP-Organisationen aus allen neun Bundesländern den Rücken. Man gehe "davon aus, dass sich die strafrechtlich relevanten Vorwürfe als falsch herausstellen werden und auch aufklären lassen", hieß es. "Gerade in der jetzigen Situation ist es jedenfalls ganz entscheidend für unser Land, dass wir weiterhin über eine stabile Bundesregierung mit Bundeskanzler Sebastian Kurz an der Spitze verfügen."

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(rt de/dpa)