Der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko hat dem US-Sender CNN ein großes Interview gewährt. Im Gespräch mit dem Korrespondenten Matthew Chance, das am 1. Oktober veröffentlicht wurde, ging der Politiker auf Fragen ein, die die Innen- und Außenpolitik des vom Westen sanktionierten Landes betrafen. Lukaschenko warnte den Westen vor einer Aggression gegen sein Land und kündigten für diesen Fall eine noch engere Zusammenarbeit mit Russland im Militärbereich an.
"Wenn es nötig sein wird, wird sich Belarus in eine gemeinsame Militärbasis von Belarus und Russland verwandeln, um Ihrer Aggression Widerstand zu leisten."
Lukaschenko betonte dabei extra, dass es auf dem Territorium der Republik keinen einzigen ausländischen Militärstützpunkt gebe, abgesehen von zwei russischen Militärbasen aus der Sowjetzeit zur Frühentdeckung von Raketenstarts und zur Kommunikation mit der russischen Flotte im Atlantik. Dort dienten zwischen 30 und 40 Armeeangehörige.
Gleichzeitig rief der Präsident den Fernsehsender CNN zu einer ehrlicheren und objektiveren Berichterstattung auf. Sein Land sei kein Aggressor. Die Gerüchte, wonach die Regierung in Minsk Großbritannien, die USA und die EU erobern wolle, seien falsch:
"Wir brauchen das nicht. Wir sind nicht fähig dazu."
Lukaschenko schloss auch eine Vergeltung für die Sanktionen aus, die die EU nach den Präsidentschaftswahlen im August 2020 und nach der Zwangslandung einer Ryanair-Maschine mit dem oppositionellen Aktivisten Roman Protassewitsch an Bord gegen sein Land verhängt hatte. Weißrussland könne eine längere Zeit ohne den EU-Markt auskommen und seine Waren in Russland und China verkaufen. Die Republik Belarus sei ein kleineres zentraleuropäisches Land mit einer Bevölkerung von zehn Millionen Menschen und sei außerstande, einer halben Milliarde EU-Einwohner seine Bedingungen zu diktieren.
"Rache nehmen können nur schwache Menschen. Entschuldigen Sie mir meine Unbescheidenheit, aber ich halte mich für keinen Weichling und halte es nicht für nötig, an der Europäischen Union Rache zu nehmen."
Weißrussland habe gute Beziehungen zur Türkei, zu Iran, Indien und Pakistan und könne seine Waren auch dort verkaufen. Es sei die Regierung in London, die sich nach dem Brexit an der EU räche.
Lukaschenko teilte mit, dass er kein Präsident auf Lebenszeit sein wolle. Das hänge aber von der Situation in Weißrussland und den Handlungen des Westens ab. Ein Staatschef könne regieren, solange ihn das Volk wähle. Lukaschenko diene seit 27 Jahren in diesem Amt seinem Volk und habe noch nicht das Alter von Joe Biden erreicht. Der 78-jährige US-Präsident könne in diesem Sinne als Anhaltspunkt fungieren, witzelte der 67-jährige Lukaschenko. Die Situation in Weißrussland sei nicht einfach. Deswegen brauche das Land einen energischen und gesunden Staatschef.
"Wenn Sie uns angreifen, ständig bedrängen, uns unserer Meinung, unseres Gesichtes und unserer Unabhängigkeit berauben werden, werde ich ein ewiger Präsident sein. Ich werde verteidigen, was ich zusammen mit dem weißrussischen Volk geschaffen habe – selbst auf Kosten meines Lebens."
Nach den Präsidentschaftswahlen am 9. August 2020 hatten in Weißrussland massenhafte Proteste begonnen. Nach Angaben der Zentralen Wahlkommission in Minsk gewann der amtierende Staatschef Lukaschenko seine sechste Wahl mit 80,1 Prozent der Stimmen. Seine wichtigste Rivalin Swetlana Tichanowskaja konnte demnach 10,12 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Die weißrussische Opposition erkannte das Wahlergebnis nicht an. Seitdem kam es immer wieder zu landesweiten Protestzügen, an denen sich Zehntausende Menschen beteiligten. Die Polizei ging mit Tränengas, Gummigeschossen und Blendgranaten gegen Demonstranten vor. Allein in den ersten Tagen wurden nach Angaben des Innenministeriums fast 7.000 Teilnehmer der nicht genehmigten Protestaktionen festgenommen. Hunderte Menschen, darunter Polizisten, erlitten Verletzungen. Die EU und viele andere westliche Staaten erkannten die Wahlen nicht an und verhängten Sanktionen gegen Lukaschenko und andere hochrangige Beamte.
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