Im südlichen Teil der gespaltenen Stadt Kosovska Mitrovica, im Norden der abtrünnigen serbischen Provinz Kosovo, kam es zu einem Zwischenfall zwischen ethnischen Serben und Albanern. Eine Gruppe von Serben wurde angegriffen, als sie aus dienstlichen Gründen eine lokale Behörde besucht hatten. Das berichten örtliche Medien unter Berufung auf Polizeiangaben. Die Serben sollen unter anderem mit Flaschen beworfen worden sein, oder bekamen Schläge auf den Kopf. Zehn ethnische Albaner wurden daraufhin festgenommen.
Kosovska Mitrovica ist mehrheitlich serbisch. Doch der Vorfall ereignete sich im südlichen Teil der Stadt, der überwiegend von ethnischen Albanern bewohnt wird. Acht der Täter wurden in Gewahrsam genommen und im Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Angriff angeklagt. Hingegen wurden zwei andere, die als Minderjährige identifiziert wurden, wieder freigelassen, heißt es weiter im Bericht.
Der Vorfall verdeutlicht die anhaltende Eskalation der ethnischen Spannungen im Norden des Kosovo. Diese verschärften sich in der vergangenen Woche erneut, aufgrund eines Streits zwischen Pristina und Belgrad über die Nichtanerkennung der Kfz-Kennzeichen der jeweils anderen Seite. Die Behörden des Kosovo hatten beschlossen, die von Serbien ausgestellten Kennzeichen nicht mehr anzuerkennen. Dadurch sind Fahrer von Fahrzeugen mit serbischen Kennzeichen, die die Grenze überqueren wollen, nun gezwungen, vorübergehende, vom Kosovo ausgestellte Kennzeichen zu kaufen. Und nur mit diesen ist es ihnen erlaubt, innerhalb der abtrünnigen Provinz zu verkehren.
Belgrad erkennt die Unabhängigkeit des Kosovo nicht an, und hat dessen Nummernschilder nie als rechtmäßig eingestuft. Daher gibt Serbien seit mehreren Jahren für Fahrzeugen mit kosovarischen Kennzeichen provisorische Schilder für den grenzüberschreitenden Verkehr aus.
Der Schritt von Pristina wurde von der lokalen serbischen Bevölkerung als diskriminierend empfunden. Auch wenn die Behörden darauf pochten, dass dies nur auf "Gegenseitigkeit" beruhe. Viele kosovo-serbische Lkw-Fahrer reagierten auf die Verordnung, indem sie aus Protest die administrativen Grenzkontrollpunkte Jarinje und Brnjak im Norden der Provinz blockierten. Die kosovarische Regierung entsandte daraufhin spezielle Polizeikräfte, was den Unmut der Serben weiter anheizte.
Als die Spannungen im Kosovo zunahmen, mischte sich auch Belgrad ein: Am Abend des 26. September 2021 versetzte der serbische Präsident Aleksandar Vučić Teile seines Militärs in erhöhte Alarmbereitschaft. Zudem verkündete er, das Land werde "für unser Volk kämpfen" um die "Pogrome gegen Serben" im Kosovo zu beenden. Berichten zufolge flogen Flugzeuge und Hubschrauber des serbischen Militärs entlang der Grenze, um offen ihre Macht zu demonstrieren.
Inzwischen sind Soldaten der KFOR-Mission der NATO im Kosovo in die Grenzregion gekommen. Die Kosovo-Serben verlangen den Abzug der kosovarischen Polizeikräfte. Gegenüber der lokalen serbischsprachigen Zeitung Kossev kommentierten lokale Serben die Maßnahmen Pristinas als einen weiteren Schritt, um die noch verbliebene serbische Bevölkerung aus der Provinz zu vertreiben. Die Ankunft der NATO-Soldaten wird als ein Versuch betrachtet, die Situation zu deeskalieren.
Ende der 1990er Jahre, nach dem blutigen Bürgerkrieg, hatte die NATO eine Schlüsselrolle bei der Abspaltung des Kosovo von Serbien gespielt. Die abtrünnige Provinz erklärte sich schließlich 2008 zu einem unabhängigen Staat, was von zwei Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats, Russland und China, nicht anerkannt wird. Auch fünf EU-Mitgliedsstaaten haben das Kosovo bislang nicht als Staat anerkannt. Rund 100.000 Serben leben noch in der abgespaltenen Provinz. Die meisten davon im nördlichen Teil. Rund 200.000 Kosovo-Serben haben nach dem Einmarsch der NATO-Soldaten 1999 die Region verlassen oder wurden vertrieben.
Der Streit um die Nummernschilder ist nur ein Aspekt des schwelenden Konflikts um den Status der Provinz. Die kosovarischen Behörden wollen die Pattsituation dadurch auflösen, dass beide Seiten das System der vorläufigen Nummernschilder aufgeben. Serbien lehnte die vorgeschlagene Lösung ab und verlangte den Abzug der an der Grenze stationierten kosovarischen Polizeikräfte. Erst dann könnten die von der EU vermittelten Gespräche zu diesem Thema stattfinden.
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