EU-Militäreinsätze unabhängig von der NATO? – Von der Leyen will Aufrüstung der EU

Gegen globale Krisen und Sicherheitsbedrohungen muss sich die Europäische Union nach Ansicht der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen besser militärisch schützen. Nach dem chaotischen Abzug aus Afghanistan solle die EU über ihre eigenen Verteidigungskapazitäten verfügen.

Den Vorschlag für eine schnelle EU-Eingreiftruppe gab es bereits in den 1990er Jahren. Seit dem Jahr 2007 gibt es EU-Kampftruppen, an denen Soldaten aus den Mitgliedsstaaten teilnehmen. Pro Halbjahr gibt es zwei Kampftruppen für Erstmissionen in einer Krisenregion. Der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reicht dies nicht aus. 

Am Mittwoch präsentierte von der Leyen ihre Rede zur Lage der Union im Europäischen Parlament in Straßburg. Den Auftakt machte das Thema Pandemie. Ihre Rede begann mit den Worten: 

"Viele Menschen haben das Gefühl, dass ihr Leben pausiert, während die Welt im Schnelldurchlauf weiterläuft. Die Geschwindigkeit der Ereignisse und die Größe der Herausforderungen sind manchmal schwer zu begreifen."

In der größten globalen Gesundheitskrise dieses Jahrhunderts, habe die EU brilliert und sichergestellt, dass alle Mitgliedsländer den gleichen Zugang zu den lebensrettenden Vakzinen erhalten haben.

Den Afghanen sprach sie im Namen der EU ihre Unterstützung aus. Besonders denjenigen Richterinnen, die nun Angst vor den Männern haben, zu deren Verurteilung sie verholfen hatten. Man werde das Land weiter humanitär unterstützen. Hierzu werden 100 Millionen Euro bereitgestellt. 

In enger Zusammenarbeit mit der NATO will sie die Stärke des Bündnisses auch militärisch weiter ausbauen. In Zukunft soll die EU führend in der Cybersicherheit werden und an Einsätzen partizipieren, die nicht im Rahmen der NATO oder der UN stattfinden:  

"Es ist an der Zeit, dass Europa die nächste Stufe erklimmt."

Dabei verwies sie auf die Verteidigungskonferenz im kommenden Jahr in Frankreich. Der französische Präsident Emmanuel Macron spricht sich bereits länger für die Schaffung einer EU-Truppe aus. Nach Ansicht der EU-Kommissionspräsidentin fehle es bislang nicht an Kapazitäten, aber an fehlendem politischen Willen.

Die USA hatten in einem Abkommen mit den Taliban den Abzug ihrer und aller ausländischen Truppen besiegelt. Die Machtübernahme der Taliban folgte schier unbegrenzt. Der erzwungene Abzug hatte eine gemeinsame EU-Verteidigungstruppe erneut in das Zentrum der Diskussion gerückt. 

Auch die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer teilt die Ansicht ihrer Vorgängerin von der Leyen. Die Union sollte ihrer Meinung nach ein "strategischer Akteur" werden, "mit dem man rechnen muss". Gegen Ende des Jahres werde NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg eine gemeinsame EU-NATO-Deklaration präsentieren: 

"Aber das ist nur ein Teil der Gleichung. Europa kann – und sollte eindeutig – in der Lage und willens sein, aus eigener Kraft mehr zu tun. Aber wenn wir mehr tun wollen, müssen wir zunächst erklären, warum."

Man müsse erstens für mehr Stabilität in der europäischen Nachbarschaft und in verschiedenen Regionen sorgen. Auch entwickle sich die Art der Bedrohungen weiter. Diese reichten von hybriden oder Cyberangriffen bis hin zum wachsenden Wettrüsten im Weltraum:

"Der dritte Grund ist, dass die Europäische Union ein einzigartiger Sicherheitsanbieter ist. Es wird Missionen geben, bei denen die NATO oder die UNO nicht anwesend sein werden, bei denen aber die EU dabei sein sollte." 

Von der Leyen blickt positiv in die Zukunft der Europäischen Union. Auf Twitter schrieb sie: 

"Wenn ich mir die Lage der Union ansehe, dann sehe ich in allem, was wir tun, eine starke Seele. In der Jahrhundertkrise haben wir uns entschieden, es gemeinsam zu tun. Als ein Europa. Das nächste Jahr wird eine weitere Bewährungsprobe sein."

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