Obwohl die russischen Prank-Journalisten Wladimir Kusnezow und Alexei Stoljarow – besser bekannt als Wowan und Lexus – ihre wahre Identität oft nur notdürftig verschleiern, gelingt es ihnen immer wieder, westliche Politiker und Personen des öffentlichen Lebens zu veralbern. In der Regel bitten sie ihre "Opfer" um Hintergrundgespräche, um das eine oder andere politische Geheimnis zu lüften. "Entlarvende" Späße werden dann erst am Ende der Gespräche platziert.
Nun ist es aber kein Geheimnis, dass Deutschland den Nawalny-Stab in Russland über geheime Kanäle finanziell unterstützt hat. Doch zum Zeitpunkt des Gesprächs mit dem grünen Politveteranen Jürgen Trittin war das noch nicht bekannt. Die Unterhaltung mit Trittin wurde am Freitag auf Kusnezows Youtube-Kanal veröffentlicht.
Die Anrufer gaben sich als der ukrainische Abgeordnete Alexander Mereschko von der Partei "Diener des Volkes" aus und riefen Trittin via Zoom an. Trittin schaltete die Videofunktion ein, seine Anrufer hingegen nicht. Er machte sie zwar darauf aufmerksam, ließ sich aber nach einer Ausrede auf das längere Gespräch mit der eingeschalteten Kamera ein.
Der falsche Mereschko bat den Ex-Umweltminister um umfassende Beratung in der grünen Energiepolitik mit dem Ziel, die Ukraine komplett unabhängig von russischen Energielieferungen zu machen. Trittin lobte das Vorhaben als erstrebenswert und verwies auf das Büro der den Grünen nahestehenden Heinrich-Böll-Stiftung in Kiew als Ansprechpartner. Danach erklärte er ausführlich aus eigener Erfahrung, wie die grüne Wirtschaft funktioniert.
Dann brachte der falsche Abgeordnete den inhaftierten russischen Oppositionellen Alexei Nawalny ins Gespräch. Wenn er in Russland an die Macht käme, könnte er in seinem Land eine echte grüne Wende einleiten, begründete der "Ukrainer" das mögliche Interesse der Grünen an Nawalny und bat Trittin schließlich um finanzielle Unterstützung seiner Aktivitäten – auf Umwegen über Kiew.
"Ich traf mich selbst mit seinen Vertretern in Kiew, sie haben hier einen Stab. Sie baten mich, bei der Suche nach Unterstützung im Ausland mitzuwirken. Es wäre schön, wenn auch ihre Partei die Nawalny-Bewegung unterstützen würde", sagte "Mereschko".
Trittin ließ sich nicht sofort auf das heikle Thema ein und sagte, dass er die Menschen kenne, die Nawalny aus Sibirien transportiert haben – die Mitarbeiter der NGO "Cinema for Peace". Der Anrufer gab aber nicht auf und frage noch mal nach Unterstützung für Nawalny. Dies sei eine gute Idee, antwortete Trittin, wandte aber ein, dass dies zu einem Konflikt mit Moskau führen würde.
"Das wird auch die Spaltung in Ihrer Gesellschaft vertiefen, denn einige Ukrainer mögen Putin und Russland, aber wie ich das sehe, ist das eine Minderheit", sagte er.
In diesem Moment machte der Anrufer klar, dass er die Unterstützung über geheime Kanäle meint. "Wenn Sie in Ihrer Partei darüber sprechen und um Überweisung der Spenden für die Nawalny-Bewegung über die (Heinrich-Böll-) Stiftung bitten, dann wird nicht zu erkennen sein, dass das Geld von Ihnen kommt." Trittin sagte zu:
"Ja, ich werde darüber mit dem Büro in Kiew sprechen. Das ist eine gute Idee."
Der angebliche Unterhändler versprach, die versprochene Unterstützung geheim zu halten. Trittin bestätigte sein Versprechen mit einem nochmaligen "Ja".
Die Mimik des Grünen-Abgeordneten zeigte, dass ihm das Gespräch in diesem Moment zunehmend peinlich wurde. Doch die Anrufer machten keine Anstalten, die Unterhaltung zu beenden. Mit jeder Frage wurde sie immer schräger. So schlugen sie Trittin vor, seine zuvor zugesagte Vorlesung in Kiew als virtueller DJ durchzuführen, baten um Rat, wie man Pädophilie legalisieren könne, und teilten ihm mit, dass Präsident Selenskij seinen Pavian nach dem Ex-Präsidenten Poroschenko "Petro" genannt hatte.
Nawalnys Organisationen Antikorruptionsfonds und "Nawalny-Stäbe" wurden vom russischen Justizministerium wegen Verbindungen zu ausländischen Geldgebern als "ausländischer Agent" eingestuft. Später wurden einige seiner Strukturen von einem Moskauer Gericht als "extremistisch" eingestuft und verboten.
RT DE nahm über die sozialen Medien Kontakt zu Wladimir Kusnezow auf und bat ihn um einen Kommentar. Er sagte, dass das Gespräch von März stamme und es leicht gewesen sei mit Trittin Kontakt aufzunehmen. Kusnezows Einschätzung nach würde den Grünen-Politiker auch die später erfolgte Einstufung der Nawalny-Strukturen als extremistisch nicht davon abhalten, ihre Finanzierung aus der Parteikasse zu erwägen, "da solche Gerichtsentscheidungen im Westen üblicherweise als nicht legitim angesehen werden".
Trittin ist nicht der erste deutsche Top-Politiker, der Opfer von Wowan und Lexus wurde. Im Herbst 2020 hatten sie bereits den damaligen Bewerber um den Posten des CDU-Vorsitzenden Norbert Röttgen im Namen der weißrussischen Exil-Oppositionellen Swetlana Tichanowskaja angerufen. Die falsche Tichanowskaja hatte ihn als großen Unterstützer der weißrussischen Demokratie-Bewegung gepriesen und ihm als Gegenleistung Hilfe in seinem Wahlkampf angeboten – Röttgen hatte das Angebot dankend angenommen. Nach der Veröffentlichung hat er die Sperrung des Videos in Deutschland erwirkt. Ob das auch mit dem Trittin-Video passiert, ist ungewiss. Trittin hat die Veröffentlichung noch nicht kommentiert.
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