Russland und Weißrussland haben einen weitreichenden Schritt auf dem Weg der Integration beider Staaten gemacht. Am späten Donnerstagabend traten die beiden Präsidenten Wladimir Putin und Alexander Lukaschenko nach einem dreieinhalbstündigen Gespräch vor die Presse und kündigten einen "historischen Durchbruch" beim russisch-weißrussischen Unionstaat an.
Arbeitsgruppen aus Ministerien beider Länder haben insgesamt 28 Programme ausgearbeitet, die vor allem wirtschaftliche, soziale aber auch sicherheitspolitische Bereiche umfassen. Die Arbeit dauerte drei Jahre und kam im Jahr 2019 wegen Streitigkeiten um Gaspreise teilweise ins Stocken. Doch nach einem Umsturzversuch in Weißrussland im August-September letzten Jahres erhielten die Integrationsprozesse neuen Schwung.
In den Programmen geht es um Harmonisierung von Steuer- und Zollvorschriften und es werden Grundlagen für eine einheitliche Geldpolitik und ein Zahlungssystem festgelegt. Bis Ende 2023 soll auch ein gemeinsamer Markt für Energieträger geschaffen sein. Schon jetzt bekommt Weißrussland Gas für 128,5 Dollar pro Kubikmeter, während der Gas-Marktpreis in Europa derzeit 650 Dollar beträgt.
Putin betonte, dass Unternehmen aus beiden Ländern gleichberechtigt sein werden und gleichen Zugang zu öffentlichen Aufträgen erhalten. Es würden viele gemeinsame Werke mit neuen Arbeitsplätzen geschaffen. Lukaschenko versicherte, dass es nicht darum gehe, "jemanden zu verschlucken". Vor allem in Weißrussland ist die Angst groß, dass die weißrussischen Betriebe von russischen Großunternehmen aufgekauft werden.
Eine Integration im politischen Bereich wie etwa die Schaffung eines gemeinsamen Parlaments stand nicht auf der Agenda, sagte Putin. Ihm zufolge gehe es bei der Integration in diesem Stadium vor allem darum, eine gemeinsame wirtschaftliche Basis zu schaffen, ein politischer Überbau käme danach. "Wir wollen das Haus nicht vom Dach bauen", sagte Lukaschenko.
Auch die Zusammenarbeit im Bereich der Verteidigung werde weitergehen, sagte Putin und kündigte den Beginn der gemeinsamen turnusmäßigen Übungen "Zapad" ab Freitag an. Sie seien nicht gegen jemanden gerichtet, betonte er, aber die Abhaltung sei wegen der zunehmenden NATO-Präsenz an den Außengrenzen des Unionstaates und OKVS "logisch". Experten sprechen davon, dass beide Staaten derzeit an der Schaffung einer gemeinsamen Luftabwehr arbeiten.
Die EU erkennt Lukaschenko nach der umstrittenen Präsidentenwahl im vergangenen Jahr nicht mehr als Präsidenten an und hat den Machtapparat mit Sanktionen belegt. Das Thema politischer Reformen in Weißrussland war nicht das Thema der Pressekonferenz. Wladimir Putin wies nur darauf hin, dass die politische Situation in Weißrussland sich stabilisiert habe.
Die Exil-Oppositionellen um das Team Swetlana Tichanowskaja haben schon im Vorfeld der Pressekonferenz erklärt, dass sie Vereinbarungen der Lukaschenko-Regierung zum Unionstaat mit Russland nicht anerkennen, weil Lukaschenko kein legitimer Präsident sei. Sie fordern Neuwahlen unter internationaler Beobachtung.
Viele Experten in beiden Ländern haben die Fortschritte auf dem Weg der Integration begrüßt. In den letzten Jahren stand Lukaschenko in der Kritik, Integrationsprozesse verschleppt zu haben. Die Idee des Unionstaates kam Mitte der 1990-er Jahre aus Minsk und er wurde im Jahre 1999 gegründet. Aus dem Vorhaben wurden aber bislang nur wenige Bestimmungen umgesetzt.
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