Nach Machtübernahme durch die Taliban: Wohin mit den Flüchtlingen?

Während Albanien, das Kosovo und Nordmazedonien sich bereit erklärten, Afghanen kurzfristig aufzunehmen, versucht Deutschland, Ortshelfer zu evakuieren. Derweil fordert Österreich die EU auf, in den Nachbarländern Afghanistans Abschiebelager einzurichten.

Der Abzug der ausländischen Militärs aus Afghanistan führte zu einer massiven Offensive der Taliban. Gebiet für Gebiet eroberte die Gruppierung, bis sie die Hauptstadt Kabul erreichte. Der afghanische Präsident Aschraf Ghani floh außer Landes. Deutschland, Schweden und die Niederlande hatten erklärt, dass in der nächsten Zeit niemand mehr nach Kabul abgeschoben werde. Die Sicherheitslage sei zu prekär, hieß es. 

Weltweit gibt es 2,5 Millionen registrierte afghanische Flüchtlinge. Im April warnte der außenpolitische Experte Kemal Kirişci vor einem Massen-Exodus aus Afghanistan. Damals schenkte man ihm wenig Beachtung. Eine Machtübernahme der Taliban schien zu unwahrscheinlich. Nach Angaben des UNHCR wurden seit Beginn des Jahres 400.000 Afghanen zu Flüchtlingen. Viele suchten in den letzten Tagen Schutz in Kabul. Laut Angaben der türkischen Regierung kamen 27.000 Afghanen im letzten Monat über die Grenze. Die Generalsekretärin von Amnesty International Agnès Callamard fasst die Lage der Menschen in Afghanistan wie folgt zusammen:

"Was wir in Afghanistan erleben, ist eine Tragödie, die man hätte vorhersehen und abwenden müssen. Ohne ein rasches und entschlossenes Handeln der internationalen Gemeinschaft wird sie sich nur noch verschlimmern. Tausende von Afghanen, die ernsthaft von Repressalien der Taliban bedroht sind – von Akademikern und Journalisten bis hin zu Aktivisten der Zivilgesellschaft und Menschenrechtsverteidigerinnen –, laufen Gefahr, einer zutiefst ungewissen Zukunft überlassen zu werden." 

Ausländische Regierungen müssen nun für die sichere Ausreise der Menschen sorgen. Während Deutschland versucht, Evakuierungsmaschinen nach Kabul zu bringen, schockiert der österreichische Innenminister Karl Nehammer mit der Forderung nach Abschiebelagern, damit auch weiterhin Abschiebungen möglich sein werden: 

"Wenn Abschiebungen aufgrund der Grenzen, die uns die Europäische Menschenrechtskonvention setzt, nicht mehr möglich sind, müssen Alternativen angedacht werden."

"Abschiebezentren in der Region rund um Afghanistan wären eine Möglichkeit. Dafür braucht es die Kraft und die Unterstützung der Europäischen Kommission."

Den Vorschlag zu den Abschiebezentren will Nehammer am Mittwoch beim Sonderrat der EU-Innenminister einbringen. Hierzu sollte die EU nach Ansicht Österreichs eine Konferenz mit den Nachbarländern Afghanistans Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan abhalten. Vertreter von sechs Ländern der EU hatten noch vor der Machtübernahme durch die Taliban davor gewarnt, Abschiebeflüge einzustellen. Dies sei das falsche Signal und würde noch mehr Menschen dazu bewegen, die Flucht in die EU anzutreten.

Afghanischstämmige Asylbewerber gehören bislang zur zweitgrößten Gruppe, die in der EU Schutz suchen. Albanien, das Kosovo und Nordmazedonien erklärten sich bereit, afghanische Flüchtlinge für eine begrenzte Zeit aufzunehmen. Die US-Regierung hatte mit den Regierungen verhandelt. Hier sollen womöglich afghanische Bürger Schutz finden, die für die USA tätig gewesen sind. In Katar will Washington die schnelle Abwicklung von "Special Immigrant Visas" ermöglichen. Die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer erklärte, sie könne keine Angaben darüber machen, wie viele Personen ausgeflogen werden würden. Armin Laschet, Kanzlerkandidat der Union, teilte mit: 

"Ich glaube, dass wir jetzt nicht das Signal aussenden sollten, dass Deutschland alle, die jetzt in Not sind, quasi aufnehmen kann. Die Konzentration muss darauf gerichtet sein, vor Ort, jetzt diesmal rechtzeitig – anders als 2015 –, humanitäre Hilfe zu leisten."

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