Die Europäische Union streitet seit Jahren mit Warschau über die Justizreformen der nationalkonservativen Regierung der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Die EU-Kommission hat bereits mehrere Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.
Mitte Juli urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass die Disziplinarkammer des Obersten Gerichts in Polen gegen EU-Recht verstößt, weil diese "nicht alle Garantien für Unparteilichkeit und Unabhängigkeit" biete. Die Kammer sei in "unzulässiger Weise von der Legislative und Exekutive beeinflusst".
Zugleich setzte der EuGH dem EU-Mitgliedsland eine Frist bis Mitte August, um die Entscheidung umzusetzen. Es drohten hohe Strafzahlungen, die zu finanziellen Sanktionen und Zurückhaltung finanzieller Mittel hätten führen können, wie beispielsweise Zahlungen aus dem Corona-Wiederaufbaufonds.
Im Juli hätte die Disziplinarkammer eigentlich tagen sollen. Die Sitzung wurde dann auf Ende September verschoben. Hierfür nannte man offiziell formale Gründe. Die Präsidentin des Obersten Gerichts in Polen, Małgorzata Manowska, hat nun aus dem Streit mit Brüssel Konsequenzen gezogen und die Disziplinarkammer für Richter von einigen Aufgaben entbunden.
Sie ordnete an, dass der Kammer keine neuen Disziplinarverfahren von Richtern oder Staatsanwälten übertragen werden, wie die Nachrichtenagentur PAP am Freitag berichtete. Bereits eingereichte Anträge würden noch abgearbeitet. Die nun angeordnete Suspendierung gelte bis zur Einführung neuer gesetzlicher Lösungen, die ein "wirksames Funktionieren des Haftungssystems für Richter" ermöglichten, hieß es – jedoch nicht länger als bis zum 15. November.
Das polnische Verfassungsgericht war noch vor dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu dem Schluss gekommen, dass das EuGH keinen Einfluss auf polnische Gerichte nehmen dürfe. Daraufhin hatte Manowska hatte eine teilweise Aussetzung der Disziplinarkammer aufgehoben. Zu dem Zeitpunkt noch war die Präsidentin des Obersten Gerichts davon überzeugt, dass die Disziplinarkammer unabhängig und eine Umsetzung des EuGH-Urteils verfassungswidrig sei. Vom Präsidenten des Landes Andrzej Duda forderte sie damals Änderungen zur Disziplinierung der Richter, an denen Brüssel keinen Anstoß nehmen kann.
Die Kammer wurde 2018 ins Leben gerufen. Mit dieser konnten Richter nicht nur bestraft, sondern auch suspendiert werden. Die Regierung betonte, hiermit gegen Korruption vorgehen zu können. Rund 3.600 Richter in Polen, darunter Richter des Obersten Gerichts, hatten in einer Petition gefordert, dem EuGH-Urteil zu entsprechen und argumentierten:
"Die Weigerung, die Urteile (des EuGH) zu erfüllen, ist nicht nur eine flagrante Verletzung des uns bindenden Gemeinschaftsrechts, sondern verletzt zugleich die Verfassungsordnung unseres Landes."
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(rt/dpa)