Schon Anfang Juli soll der Prozentsatz der Delta-Variante bei den Neuinfektionen in Großbritannien nach offiziellen Verlautbarungen bei 95 Prozent gelegen haben. Dann verkündete die britische Regierung am 19. Juli den sogenannten "Freedom Day", den Tag, an dem sämtliche Corona-Restriktionen aufgehoben wurden.
Seither reißen die Warnungen vor einem Dammbruch in Bezug auf die Zahl der nun zu befürchtenden Neuinfektionen und Hospitalisierungen nicht mehr ab. Die Schlagzeilen lesen sich entsprechend besorgniserregend.
So wurde etwa am Dienstag berichtet, dass Großbritannien nun die "meisten Todesfälle durch COVID-19 seit März" zu verzeichnen habe. Die Nachrichtenagentur Reuters schreibt:
"Großbritannien meldete am Dienstag die höchste Zahl von Todesfällen und Hospitalisierungen durch das Coronavirus seit März."
"131 neue Todesfälle durch COVID-19" habe Großbritannien zu verzeichnen, dies entspreche dem höchsten Wert seit dem 17. März. Auch die Zahl der "COVID-19-Patienten" in britischen Krankenhäusern habe mit 5.918 den höchsten Stand seit März erreicht.
Daher habe der britische Premierminister Boris Johnson die Bevölkerung zur Vorsicht aufgerufen – trotz eines Rückgangs der Infektionszahlen. Hintergrund sind Berichte, wonach die Anzahl der Neuinfektionen in Großbritannien seit Tagen rückläufig ist, was Wissenschaftler "überraschte". Johnson erklärte:
"Es ist sehr, sehr wichtig, dass wir uns nicht zu voreiligen Schlüssen über (geringere Fallzahlen) hinreißen lassen."
Nun jedoch erreichen Berichte die Öffentlichkeit, wonach die Meldungen über die Zahl der Krankenhauseinweisungen aufgrund einer Corona-Infektion mit äußerster Vorsicht zu genießen seien.
Wie der britische Telegraph berichtet, habe man Einsicht in Dokumente erhalten, wonach "mehr als die Hälfte der hospitalisierten COVID-Fälle" auf Personen entfiele, die "nach der Einweisung positiv getestet" worden seien. Im Exklusiv-Bericht heißt es:
"Die Zahlen deuten darauf hin, dass eine große Zahl von Menschen als aufgrund von COVID hospitalisiert eingestuft wird, obwohl sie in Wirklichkeit aufgrund anderer Krankheiten ins Krankenhaus eingeliefert wurden und das Virus einfach durch Routineuntersuchungen festgestellt wurde."
Dies ließe den Rückschluss zu, dass die täglich auch von Politikern aufgegriffenen Statistiken den tatsächlichen Druck auf das englische Gesundheitssystem womöglich überhöhten. Demzufolge seien (Stand 22. Juli) nur 44 Prozent der Patienten, die mutmaßlich aufgrund einer Corona-Infektion ins Krankenhaus eingeliefert worden seien, innerhalb von zwei Wochen vor ihrer Hospitalisierung positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden.
56 Prozent der Infektionsfälle seien erst nach Standard-Tests nachgewiesen worden. Tests, die nunmehr bei einer Krankenhauseinweisung routinemäßig durchgeführt werden. 43 Prozent erhielten ihre positive Diagnose innerhalb von zwei Tagen nach der Krankenhauseinlieferung und wiederum 13 Prozent "in den Tagen und Wochen danach, einschließlich derjenigen, die sich wahrscheinlich im Krankenhaus" ansteckten, heißt es beim Evening Standard mit Verweis auf den Bericht.
"Entscheidend" sei die völlige Unklarheit darüber, so der Telegraph, inwiefern es sich bei der genannten Mehrzahl der vermeintlichen COVID-Hospitalisierungen um Fälle handele, die wegen einer schweren Erkrankung eingeliefert wurden, bei der sich später herausstellte, dass sie durch COVID verursacht worden sei, oder um Patienten, die aus ganz anderen Gründen ins Krankenhaus eingewiesen worden seien, "wie etwa aufgrund eines gebrochenen Beins", und "die andernfalls womöglich nie erfahren hätten", dass sie mit SARS-CoV-2 infiziert seien.
Die vom Telegraph eingesehen Daten sollen alle Einrichtungen des National Health Service (NHS) umfassen. Der Direktor für evidenzbasierte Medizin an der University of Oxford, Prof. Carl Heneghan, erklärte angesichts der nun veröffentlichten Informationen:
"Wenn die Leute von Hospitalisierungen mit COVID hören, nehmen sie an, dass COVID die wahrscheinliche Ursache ist, aber diese Daten zeigen etwas ganz anderes – es geht darum, dass COVID entdeckt wurde, nachdem die Tests danach gesucht haben."
Es müsse nun "dringend" korrigierend eingegriffen werden, da die offiziell veröffentlichten Daten die Öffentlichkeit ansonsten zu "falschen Schlussfolgerungen" verleiten könnten.
Derweil sollen ab Ende September Veranstaltungen mit größeren Menschenansammlungen nur noch mit Impfnachweis (NHS COVID Pass) besucht werden dürfen. Premierminister Johnson erklärte:
"Manche der größten Vergnügen und Möglichkeiten des Lebens werden zunehmend von Impfungen abhängig sein."
Mit dem Impfnachweis ist etwa der Zutritt zu Bars und Nachtclubs möglich. Vor wenigen Tagen wurde berichtet, dass 40 Prozent der in England hospitalisierten "COVID-19-Patienten" bereits ein- oder zweimal geimpft seien.
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