Umweltverbände in Deutschland und Tschechien kritisieren ein Abkommen beider Länder über die Vertiefung der Elbe. Die Verkehrsministerien der beiden Staaten haben sich in der vergangenen Woche geeinigt, den Fluss bis zum Jahr 2030 über das ganze Jahr hinweg schiffbar zu machen. Er soll auf tschechischer Seite bis auf 2,30 Meter und auf deutscher bis auf 1,40 Meter vertieft werden.
Der tschechische Verkehrsminister Karel Havlíček erklärte nach der Videokonferenz mit seinem deutschen Amtskollegen Andreas Scheuer am 20. Juli: "Wir werden die Elbe in Ordnung bringen, 340 Tage im Jahr wird eine Kreuzfahrt möglich sein, Ziel ist die Schiffbarkeit von Pardubice bis nach Hamburg."
Der Politische Bundesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen Michael Kellner sagte zu dem Abkommen: "Es grenzt fast an Realitätsverweigerung, dass die Bundesregierung wenige Tage nach der Hochwasserkatastrophe ein Abkommen schließt, um die Elbe als einen der letzten naturnahen Flüsse Europas auszubaggern, und sie Ähnliches für die Oder plant." Die Regierung habe aus der Flutwasserkatastrophe nichts gelernt, fuhr er gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland fort.
Die tschechische Naturschutzorganisation Arnika weist auf zwei Schutzgebiete von überregionaler Bedeutung am Oberlauf der Elbe hin. Das Auengebiet Louky u Přelouče sowie das Kies-Sand-Schwemmland der Elbe im Schutzgebiet Porta Bohemica gehören zum Natura-2000-System der EU. Das Abkommen über die Vertiefung des Flusses berücksichtigt ihren Schutz nicht und steht im Widerspruch zur tschechischen Wasserrahmenrichtlinie.
Die Vereinbarung passe zu den seit Langem betriebenen Bemühungen des Verkehrsministeriums, Wasserwerke in der Fahrrinne bei Děčín oder am Donau-Oder-Elbe-Kanal zu errichten. "Das sind größenwahnsinnige Projekte mit ungewisser Erfolgsaussicht, aber mit der Gewissheit irreversibler Naturschäden", so Arnika weiter.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) bezeichnet das Abkommen als Steilvorlage für die tschechische Seite, bei Děčín eine Stauanlage zu bauen. Der Vorsitzende vom BUND Olaf Bandt sagte:
"Angesichts der jüngsten Hochwasserkatastrophe ist ein solches Abkommen unverantwortlich. Die Überschwemmungen haben klar gezeigt: Flüsse brauchen mehr Raum statt ein enges Korsett. Um die Elbe und ihre Flusslandschaft an die Folgen der Klimakrise anzupassen, muss die Tiefenerosion gestoppt werden. Zudem sind gezielte Investitionen in eine naturverträgliche Gestaltung von Fluss und Auen sowie in einen ökologischen Hochwasserschutz nötig."
Nach Angaben des BUND ist der Gütertransport auf der Elbe in den vergangenen 20 Jahren um 90 Prozent zurückgegangen. Weniger als 200.000 Tonnen Güter werden im Jahr transportiert. Über sechs Monate pro Jahr hinweg macht ein Wasserstand von weniger als einem Meter nahezu jeden Schiffsverkehr unmöglich.
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