Die Partei ITN (Es gibt ein solches Volk), die die Parlamentswahlen in Bulgarien am vergangenen Sonntag tatsächlich gewann, hat ihren ersten Kabinettsvorschlag am Donnerstagabend überraschend wieder zurückgezogen. Der Gründer und Vorsitzende Slawi Trifonow teilte auf Facebook mit, dass ITN bald neue Vorschläge für die Besetzung des Amtes des Premierministers und die Zusammensetzung des Ministerrates bekannt geben werde.
Als Premierminister hatte ITN den Kandidaten Nikolai Wasilew von der Partei der türkischen Minderheit "Bewegung für Rechte und Freiheiten" vorgeschlagen. "In nur drei Tagen (Anm.: seit der Wahl) ergoss sich ein riesiger Kübel an Dreck über ihn. Es zeigte sich, dass es egal ist, wie gebildet die Kandidaten sind, welch gute Spezialisten sie sind, wie deutlich sie ihre Prioritäten setzen", schrieb Trifonow.
Damit setzen sich die unübersichtlichen Auseinandersetzungen um eine Regierungskoalition fort. ITN hatte sie begonnen, indem Trifonow in einer TV-Ansprache das Kabinett vorstellte, obwohl seine Partei zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Gewinner der Wahl bestätigt war. Trifonow erklärte das Zurückziehen des ersten Vorschlags jetzt so: "Es spielt für mich keine Rolle, welche Lügen einige der Parteien geäußert haben, die nicht dem Status quo zugeneigt sind. Viel wichtiger ist mir, das GERB-Modell aus dem öffentlichen Leben zu 'tilgen'."
GERB ist die zweitplatzierte Partei des ehemaligen Ministerpräsidenten Bojko Borissow. Diese hatte die erste Wahl am 4. April gewonnen, jedoch den Auftrag zur Regierungsbildung zurückgegeben. GERB (Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens) steht massiv in der öffentlichen Kritik, auch Vorwürfe von Korruption werden immer wieder erhoben.
Die Zurücknahme des Vorschlags für ein Kabinett wird von den anderen Parteien im neuen Parlament begrüßt. So machten die Demokraten für ein starkes Bulgarien (DSB) ein Unterstützungsangebot an ITN. Sein Sprecher Christo Iwanow sagte dem Nachrichtenportal BNR: "Wenn das Parlament zusammentritt, werden wir der Fraktion von ITN eine Diskussion der drängenden Fragen vorschlagen. Sie müssen unseren Vorschlag nur öffentlich annehmen, damit klar ist, dass da kein geheimer Deal geschlossen wird."
Die Kandidatin der Anti-Korruptionspartei "Steh auf! Mafia raus!" (ISMV) Maja Manolowa begrüßte Trifonows Schritt. "Anstrengungen für einen Wandel im politischen Modell erfordern das Finden eines Konsenses, Transparenz und Garantien. (...) Ich bin sicher, ITN findet die Kandidaten, die für so entschiedene Reformen nötig sind."
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