Die Protestpartei ITN ("Es gibt ein solches Volk!") des TV-Moderators Slawi Trifonow hat die Parlamentswahl in Bulgarien am vergangenen Sonntag gewonnen. Nach dem amtlichen Ergebnis erhielt sie 24,1 Prozent der Stimmen. Die bis zum Frühjahr 2021 regierende Bewegung für die europäische Entwicklung Bulgariens (GERB) bekam 15.700 Stimmen weniger und landete mit 23,5 Prozent auf dem zweiten Platz.
Für die Bulgarische Sozialistische Partei (BSP) stimmten 13,4 Prozent der Wählerinnen und Wähler, für das Bündnis Demokratisches Bulgarien (DB) 12,6. Ins Parlament ziehen zudem mit 10,7 Prozent die Partei der türkischen Minderheit (DPS) ein sowie die Bewegung "Richte dich auf! Mafiosi raus!", die 5 Prozent erreichte. Die Beteiligung an der Wahl war mit 42,5 Prozent niedrig.
Die Debatten um die Bildung einer Regierungskoalition begannen mit einem Coup: Noch am Tag der Wahl gab Slawi Trifonow von ITN bekannt, am Montag eine Ansprache in "seinem" TV-Kanal zu senden. Die Rede, die um 11 Uhr ausgestrahlt wurde, stellte sein Regierungskabinett vor. Die vorläufigen Ergebnisse sahen zu der Zeit noch GERB mit einem Vorsprung von 0,2 Prozentpunkten vorn, wie die Nachrichtenagenturen bis Montagabend meldeten (siehe nebenstehenden Link).
Der Politikwissenschaftler Christo Panschugow kritisierte gegenüber dem bulgarischen Nachrichtenportal BTI die vorzeitige Bekanntgabe einer Regierung:
"Eine Möglichkeit ist, dass Trifonow keine grundlegende Vorstellung hat, wie man Politik macht oder wie man sich in dieser Situation verhält. Die andere Hypothese ist, dass dies eine Provokation war, die auf das Scheitern dieser Regierung abzielt."
Trifonows Schattenkabinett setzt sich unter anderem aus mehreren kaum bekannten Personen zusammen, die als Experten in ihren Bereichen vorgestellt wurden. Es enthielt auch einen Minister der ehemaligen von GERB geführten Regierung. Die Zusammensetzung des Regierungsvorschlages stößt auf Widerspruch auch in seiner Protestpartei. Nach Einschätzung des Analysten Osman Octay hat Trifonow sein eigenes politisches Projekt beerdigt:
"Slawi Trifonow erkennt die Situation, in der er sich befand, und sucht nach einem eleganten Ausweg aus diesen Abhängigkeiten. Er besiegt GERB und legt ein Programm auf den Tisch und sagt im Voraus: 'Ich habe meine Verpflichtung vor Ihnen erfüllt, andere haben dieses politische Projekt nicht unterstützt.' Da er geflohen ist, um Mitglied der Nationalversammlung zu werden, wird er nun dem politischen Projekt entkommen, das er geschaffen hat. Ab heute setzt Slawi ein Kreuz auf sein politisches Projekt."
Die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Oppositionsparteien seien die große Überraschung nach der Wahl gewesen. Das Nachrichtenportal news.bg zitiert den Soziologen Stoycho Stoychew. Typisch für eine populistische Partei habe sich Trifonow etwas ausgedacht, von dem er glaubte, dass es ihm politische Integrität vor den Wählern garantiere, sagte der Soziologe. Er fuhr fort: "Wenn die Menschen ein solches politisches Durcheinander betrachten, beginnen sie nach Alternativen zu suchen – exotische Ideen für eine Präsidialrepublik werden entstehen, oder ein neuer Führer wird erscheinen."
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