Es waren unschöne und auf mehreren Ebenen besorgniserregende Szenen, die sich in London abspielten und in den sozialen Medien hohe Wellen schlugen. Wie britische Medien berichten, war der bekannte Redakteur des BBC-Programms BBC Newsnight Nicholas Watts während eines Protestzugs von einer wütenden Menge Anti-Lockdown-Aktivisten durch die Straßen Londons gejagt und schließlich in die Downing Street getrieben worden.
Wie Videoaufnahmen dokumentieren, eilte der bedrängte BBC-Journalist zunächst durch Whitehall, eine Straße im Londoner Regierungsviertel. Anschließend hefteten sich ein Mann in einer Lederweste und eine Frau in einem Minikleid an seine Fersen.
Der mit einer blauen Gesichtsmaske ausgestattete BBC-Moderator fühlt sich bedrängt und eilt weiter – um anschließend von einer Gruppe zunächst etwa 15 Personen verfolgt zu werden. Doch die Gruppe wächst weiter an. Es ergeht ein Schwall von Vorwürfen und Beschimpfungen über Watts, der eingeschüchtert seinen Kopf senkt.
Aus der Menge heraus wird Watts schließlich von einem Mann an der Schulter gepackt. Einige schreien: "Warum haben Sie gelogen?" Andere rufen lautstark "Verräter" und "Schande".
Anschließend spitzt sich die Situation weiter zu. Watts fühlt sich derart bedrängt, dass er eine Barriere überwindet und Richtung Regierungssitz in der Downing Street flüchtet, wo er sich hinter eine Polizeikette begibt.
Am Dienstag stellt die Polizei dann den 57-jährigen Martin Hockridge und verhört ihn. Laut der Metropolitan Police wird ein weiterer Mann im Zusammenhang mit den Vorgängen gesucht. Demzufolge sollten auch die "Bedenken, die über die polizeiliche Reaktion während dieses Vorfalls" zur Sprache gekommen sein, untersucht werden.
"Wir nehmen diese Bedenken ernst und werden unsere Maßnahmen überprüfen, um die polizeiliche Überwachung von Veranstaltungen für alle Londoner zu verbessern."
Zuvor war von Beobachtern unter anderem kritisiert worden, dass die Polizei teilnahmslos gewesen und nicht eingeschritten sei, um Watts zu schützen. Das im Video gezeigte Verhalten, so die Metropolitan Police weiter, sei inakzeptabel.
"Mitglieder der Öffentlichkeit, egal welchen Berufs, haben das Recht, ihrer täglichen Arbeit nachzugehen, ohne verbalen Belästigungen oder Handlungen ausgesetzt zu sein, die sie in Angst um ihre Sicherheit versetzen."
Auch innerhalb der britischen Regierung sorgte der Vorfall für Aufsehen und Empörung. Innenministerin Priti Patel sprach von "entsetzlichen und erschütternden" Bildern. Laut der Ministerin führt die britische Regierung aktuell eine Untersuchung durch, "um die Art und den Umfang von Drohungen und Missbrauch gegenüber Journalisten, die in Großbritannien tätig sind, besser zu verstehen". In einem entsprechenden Aufruf der Regierung heißt es:
"Mit dieser Aufforderung zur Einreichung von Beweisen soll eine Evidenzbasis entwickelt werden, um Art und Umfang der Bedrohungen und Misshandlungen von Journalisten, die in Großbritannien tätig sind, zu verstehen."
Auch Premierminister Boris Johnson meldete sich in der Zwischenzeit auf dem Kurznachrichtendienst Twitter zu Wort:
"Es ist eine Schande zu sehen, wie gegen Nick Watts gehetzt wird, der seinen Job macht."
Johnson zufolge dürften "die Medien" nicht daran gehindert werden, "die Fakten ohne Angst oder Bevorzugung zu berichten – sie sind das Lebenselixier unserer Demokratie".
Laut der BBC ist das von den Protestlern an den Tag gelegte Verhalten "völlig inakzeptabel".
"Alle Journalisten sollten in der Lage sein, ihre Arbeit ohne Einschüchterung oder Behinderung auszuführen."
Auch BBC-Direktor Tim Davie schaltete sich ein. Die Sicherheit von Journalisten sei, so Davie, "grundlegend für jede Demokratie", und es gebe "keine Rechtfertigung dafür, dass ein Journalist auf diese Weise behandelt" werde.
Am Dienstag hatte sich eine Menschenmenge in Westminster versammelt, um gegen die abermalige Verlängerung der Corona-Beschränkungen durch die britische Regierung um vier Wochen zu protestieren.
Trotz anderer lautender Ankündigungen hatte sich die Johnson-Regierung zuletzt dagegen ausgesprochen, den Lockdown aufzuheben. Der britische Premier hatte am Montag erklärt:
"Ich bin zuversichtlich, dass wir nicht mehr als vier Wochen brauchen, und wir werden nicht über den 19. Juli hinausgehen. Aber jetzt ist es an der Zeit, vom Gaspedal zu gehen."
Schuld sei die sogenannte "Delta-Variante". Von der Regierung berufene Experten befürchten, dass bei einer dritten Welle in diesem Sommer mehr als 40.000 Briten sterben könnten. Der für den 21. Juni angekündigte "Freiheitstag" (freedom day) wurde daher auf den 19. Juli verschoben.
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