Von Kaspar Sachse
Es passt einfach nicht mehr. Gerade haben viele Menschen ihre wirtschaftliche Existenz aufgrund der alternativlosen "Corona-Maßnahmen" verloren. Das Land wechselt so langsam vom Pandemie- in den Klimalockdown. Und uns werden dazu allerhand neue (Überwachungs-)Werkzeuge wie der elektronische Impfpass als neueste Verheißung an die Hand gegeben. Ausgerechnet jetzt steht die Fußball-EM ins Haus. Selten stieß ein derartiges Event auf so wenig Interesse.
Profikicker vs. Zuschauer: Zwei-Klassen Gesellschaft in abgeschotteten Biotopen
Dabei zeigt sich der Widerspruch der ganzen Corona-Krise kaum deutlicher als im Fußball. Die Profi-Kicker konnten fast die gesamte Pandemie-Zeit wie gewohnt mit viel Körperkontakt der schönsten Sache des Lebens nachgehen. Und nun wurden sie extra vor der EM aus Angst vor Nebenwirkungen nicht geimpft. Dagegen musste der Otto Normalverbraucher lange Zeit zu Hause bleiben, nahm u. a. wegen Bewegungsmangel im Durchschnitt 5 Kilo zu und wird jetzt zur Impfung regelrecht gedrängt.
Profifußballer merken von den Einschränkungen der Corona-Krise abgesehen von den fehlenden Zuschauern so gut wie gar nichts – weder finanziell noch privat. Genau wie andere privilegierte Gruppen: vom Universitätsprofessor bis zum Bundesgesundheitsminister oder dem Vorstand bei BMW. Nicht zuletzt ist die Kluft zwischen Spielern und Fans in der Krise ohnehin größer geworden, da die Spiele nur noch auf der Mattscheibe zu sehen sind. Ein Trend, der sich bereits vor Corona abzeichnete: Abgeschirmte Trainingscamps, exklusive und gut bewachte Nobelhotels, PR-Profis sowie Personenschützer haben die Abstände zu den Zuschauern enorm vergrößert.
Daher verwundert es auch nicht, wenn aus der heilen Welt der Profifußballer schon lange keine kritischen Statements zur Politik generell und konkret zu den Corona-Maßnahmen gefunden werden. Ganz im Gegenteil: Die Nationalelf unter dem ewigen Jogi Löw und die Kanzlerschaft von Angela Merkel gehören untrennbar zusammen. Heutige Profifußballer fallen eher durch alberne Tätowierungen und als aalglatte Frisurtrendsetter auf. Die Zeiten, in denen ein Paul Breitner oder Mario Basler die Klappe neben den Platz aufgemacht haben, sind längst vorbei. Maximal engagiert man sich still als "Botschafter" gegen Rassismus. Unbequeme, aber authentische Typen wie Oliver Kahn, Matthias Sammer oder Stefan Effenberg würden im heutigen Profifußball wie Reliquien aus einer anderen Zeit daherkommen.
Nationalmannschaften in einer globalisierten Postmoderne
So ganz zeitgemäß wirken "Nationalmannschaften" im superglobalen Dorf sowieso nicht mehr. Die Spielorte, die erstmalig über ganz Europa verteilt sind, schon eher. Sogar Baku am Kaspischen Meer zählt jetzt dazu. In einer Zeit, in der große Konzerne und steinreiche Privatleute die Agenden supranationaler sowie mächtiger Organisationen wie dem Weltwirtschaftsforum, der EU oder der WHO bestimmen, gelten Nationen nur noch als ein versprengtes Überbleibsel aus dem 19./20. Jahrhundert – vor allem im "Westen". Davos, Brüssel oder Genf setzen die Themen vom Klimawandel über die Flüchtlingskrise bis hin zu Corona – immer "politisch korrekt" in den Fokus, global gedacht und ordentlich gegendert. Dabei gilt Deutschland und die Bundesregierung stets als Musterschüler.
Das überträgt sich konsequent auch auf das ehemals liebste Kind der Deutschen: So wurde im ereignisreichen Sommer 2015 aus der Nationalmannschaft "Die Mannschaft". Auf der Homepage des DFB wird man selbstverständlich mit "Liebe Freund*innen und Fans" begrüßt und im weltweit laufenden "Pride-Month" wird die Regenbogenflagge schon einmal zur Kapitänsbinde umfunktioniert. Zumindest im Amateurbereich konkretisieren sich dazu Gedanken, dass Männer und Frauen demnächst auch unter Wettbewerbsbedingungen in "gemischten Teams" spielen sollen. "Das fordert zumindest der für Antidiskriminierung zuständige DFB-Vizepräsident." Ausschließlich 22 Männer auf einem Platz vertragen sich einfach nicht mit dem Zeitalter der Frauenquote – und der "marktkonformen Demokratie".
Für die setzt sich der Jurist und Schriftsteller Ferdinand von Schirach auf der Webseite des DFB ein. Dabei zeigt er mit dem Finger auf die üblichen Bösewichte:
"Demokratien in einzelnen Ländern und auch die Europäische Union befinden sich in einer politischen Krise. Es gibt viele Menschen, die behaupten, dass es autoritäre Systeme, wie China oder Russland, besser machen würden. Aber Demokratien sind die menschenfreundlichsten Staatsformen."
Das gängige Klimawandelnarrativ darf auch nicht fehlen:
"Der Klimawandel ist vom Menschen gemacht und wir müssen da ganz schnell gegensteuern. Wir müssen nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa und eigentlich auch auf der ganzen Welt dagegen arbeiten."
Ganz konsequent setzt der DFB auf "Biogrillkohle" als offizielles Lizenzprodukt für das anstehende Turnier und denkt bereits an die Euro 2024. Mit einer "Event Social Responsibility (ESR)"-Strategie will man "Nachhaltigkeit beim DFB auf allen Organisationsstufen" erreichen:
"Um sicherzustellen, dass Fußball einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft hat, wurden fünf ESR-Dimensionen für die UEFA EURO 2024 bestimmt:
- Umwelt (Hauptthema)
- Vielfalt und Inklusion
- Solidarität
- Gesellschaftliche Verantwortung
- Gesundheit und Wohlbefinden"
Das ganze klingt wie eine kurze Zusammenfassung des vom Weltwirtschaftsforum angestrebten "Great Reset" oder des Bundestagswahlprogrammes der Grünen. Fußball ist eben doch nur die schönste Nebensache der Welt.
Der Fan als zahlfreudiger, aber bitte stiller Kunde
Der Fan hat dabei immer weniger zu lachen. Nicht-personalisierte Tickets, übergroße Zaunfahnen oder gar Feuerwerk wurden allerdings schon vor Corona aus den Stadien entfernt: "German Angst" korreliert hervorragend mit "Safety first". Jetzt kommen noch FFP2-Masken, Schnelltests und alkoholfreies Bier dazu. Doch bereits vor Corona hat sich offenbart, wie der Fußball seine Seele verkauft hat und dieser Pakt mit dem Teufel, Pardon, mit der Kommerzialisierung von allem und jedem nun final ratifiziert wird.
"Fan" und "Kunde" ist jedoch nicht dasselbe, denn der Kunde kann wählen. Finden Preis oder Qualität eines Produktes nicht mehr seine Unterstützung, dann wechselt er das Produkt oder lässt es ganz sein. Ein echter Fan hat diese Möglichkeit nicht oder höchstens sehr eingeschränkt. Letztendlich kann er zu Hause bleiben und seine "Mannschaft" nicht mehr unterstützen. Aber bis er an diesem Punkt ankommt, muss schon vieles passieren. Vergleicht man die Zuschauerzahlen und TV-Quoten von Auftritten der DFB-Elf (auch vor Corona) mit nicht weniger stark kommerzialisierten Championsleague-Spielen, fällt auf, dass das nunmehrige Konstrukt "Nationalmannschaft" auf immer weniger Interesse stößt.
Doch das Ende der kommerziellen Fahnenstange ist offenbar noch lange nicht erreicht. So zahlt man für die drei Vorrundenspiele in München je nach Kategorie 50, 125 oder 185 Euro. Karten für das Viertelfinale in Deutschland kosten 75, 145 oder 225 Euro. Das passende "DFB Authentic Sondertrikot Away 2020" der "Mannschaft" gibt es für schlappe 150 Euro. Doch die Einnahmen werden sinnvoll investiert: Im Falle des Titelgewinns erhält jeder Spieler vom DFB 400.000 Euro – die höchste Summe, die jemals bei großen Turnieren ausgelobt wurde. Inwieweit das in Zeiten der Wirtschaftskrise "wegen Corona" – die so langsam ihren Anfang nimmt – moralisch integer ist, spielt für die Herren beim DFB keine Rolle.
All diesen Entwicklungen schließen den bratwurst- und bieraffinen, emotionalen, politisch vielleicht hin und wieder nicht ganz korrekten Fan aus, der bei jedem Heimspiel seines Klubs den Stehplatz mit Leben füllt und abseits des Platzes auf Montage oder in der Werkhalle arbeitet. Es ist schon interessant: Die einen will man mit linksgrüner Identitätspolitik, koste es, was es wolle, "inkludieren", während der "Pöbel" die Rote Karte gezeigt bekommt.
Das Konzept Nationalmannschaft stellt sich final als ein Widerspruch par excellence heraus. Elf Kerle aus einem Land im Zeitalter der "offenen Grenzen", die trotz "Klimawandel" von Spiel zu Spiel fliegen und in einer abgeschottet-luxuriösen Parallelwelt leben. Gratulation, wer sich damit identifizieren kann. Andere dagegen freuen sich auf die nächste Kreisligasaison – mit Bratwurst und Bier für 1,50 Euro und jeder Menge gelebter Emotionen auf dem staubigen Hartplatz, wenn der mitspielende Nachbar mal wieder die dicksten Chancen vergibt.
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Mehr zum Thema - UEFA: Ukraine muss "politische" Trikots teils umgestalten