Unter den bespitzelten Politikern sind unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Auch Spitzenpolitiker aus Schweden, Norwegen, den Niederlanden und Frankreich sollen betroffen sein. Laut mehreren Medienberichten habe der dänische Auslands- und Militärgeheimdienst Forsvarets Efterretningstjeneste (FE) dem US-Geheimdienst NSA die Nutzung der geheimen Abhörstation Sandagergardan in der Nähe von Kopenhagen ermöglicht und damit bei der Bespitzelung geholfen.
Wie der Dänische Rundfunk und weitere europäische Medien, darunter NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung, berichten, befinde sich dort ein wichtiger Internetknotenpunkt verschiedener Unterseekabel, den die Nachrichtendienste angezapft haben sollen. Dem Dänischen Rundfunk zufolge, der sich auf Geheimdienstquellen beruft, habe die NSA Zugriff auf SMS, Telefonanrufe und Internetaktivitäten, darunter Recherchen, Chats und Messengerdienste, gehabt.
Die dänische Regierung soll demnach wohl spätestens seit 2015 von der Überwachung europäischer Nachbarländer gewusst haben. Den Medienberichten zufolge soll die Abhöraktion in einem internen Bericht des FE dokumentiert sein. Demnach hätten dänische Geheimdienst- und IT-Spezialisten das bis heute geheim gehaltene Papier nach den Enthüllungen des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden erstellt.
Snowden hatte 2013 tausende streng geheime Dokumente veröffentlicht und damit das Ausmaß der Internetüberwachung durch den amerikanischen Abhördienst NSA enthüllt. Auf der Flucht vor CIA, NSA und FBI war der Whistleblower zunächst in Hongkong, später erhielt er Asyl in Russland, wo er bis heute lebt. Snowden kommentierte nun die Medienberichte via Kurznachrichtendienst Twitter mit dem Satz:
Dem Bericht des Dänischen Rundfunks zufolge, der demnach Kontakt zu neun Quellen mit Zugang zu geheimen Informationen des FE hatte, hätten die NSA und der dänische FE für die Überwachung die Spionage-Software "XKeyscore" angewandt. Das Spähprogramm benutzt auch der deutsche Auslandsgeheimdienst BND. Laut einem älteren Bericht der Zeit hatte der Bundesnachrichtendienst bereits 2007 die Software von der NSA bekommen.
Laut dem geheimen Bericht des dänischen Geheimdienstes sei auch Dänemark selbst Ziel der Überwachung gewesen. Demnach seien das dänische Außen- und Finanzministerium sowie eine dänische Rüstungsfirma von der Spähaktion betroffen. Bereits 2020 sei bekannt geworden, dass FE dem US-Geheimdienst NSA geholfen habe, die eigene Regierung auszuspionieren. Die gesamte damalige Führung des dänischen Auslandsgeheimdienstes musste wegen des Skandals zurücktreten. Damals sei aber nicht bekannt geworden, dass unter den Ausgespähten auch deutsche Spitzenpolitiker sind.
Die Bundesregierung hatte dem Bericht von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung zufolge keine Kenntnis über die Bespitzelung führender Regierungsmitglieder. "Der Gegenstand Ihrer Recherche ist der Bundeskanzlerin durch Ihre Anfrage bekannt geworden", sagte ein Regierungssprecher. Darüber hinaus wolle man sich nicht äußern. Bundespräsident Steinmeier erklärte ebenfalls, er habe von den Abhöraktionen aus Dänemark bislang nichts gewusst. Auch Ex-Bundesfinanzminister Steinbrück erklärte gegenüber den Medien, dass er erst durch die Berichte von der Abhöraktion gegen ihn erfahren habe.
Politisch halte Steinbrück das "für einen Skandal". Er glaube zwar, dass auch westliche Staaten funktionsfähige und tüchtige Nachrichtendienste benötigten. Doch zeige diese Art des Abhörens unter Partnern, "dass sie doch ein ziemliches Eigenleben führen."
Die dänische Verteidigungsministerin Trine Bramsen soll demnach im August vergangenen Jahres über das Abhören europäischer Spitzenpolitiker informiert worden sein. Bramsen, die seit Juni 2019 im Amt ist, soll gegenüber dem Dänischen Rundfunk bezogen auf die Medienberichte mitgeteilt haben, dass das "systematische Abhören von engen Verbündeten" inakzeptabel sei.
Bereits 2013 war bekannt geworden, dass das Handy von Kanzlerin Merkel offenbar jahrelang von der NSA überwacht worden ist.
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