Das Büro des Hohen Repräsentanten in Bosnien-Herzegowina – auf Englisch: Office of the High Representative, kurz OHR – bekommt ab 1. August dieses Jahres einen neuen Leiter. Es wird der deutsche CSU-Politiker Christian Schmidt. Der Bundestagsabgeordnete aus Franken folgt auf den Österreicher Valentin Inzko, der das Amt seit 2009 bekleidet.
Der Lenkungsausschuss des Rates zur Umsetzung des Dayton-Friedensabkommens von 1995 beschloss die Ernennung des 63-Jährigen auf einer Sitzung in Sarajevo, wie das Amt des Hohen Repräsentanten in der bosnischen Hauptstadt mitteilte.
Im sogenannten Friedensimplementierungsrat (PIC) sitzen Vertreter von 55 Staaten und internationalen Organisationen. Russland soll die Ernennung von Schmidt nicht unterstützt haben.
Vorgeschlagen für den Posten hatte ihn die deutsche Bundesregierung. Der Personalvorschlag soll laut Medienberichten direkt aus dem Kabinett Angela Merkels gekommen sein. Einigen Analytikern zufolge zeigt die Ernennung von Schmidt, dass Berlin auf dem Balkan mehr Initiative ergreifen will. Dies könnte man auch aus der Mitteilung des Auswärtigen Amtes herauslesen, als die Kandidatur des CSU-Politikers offiziell bekannt gegeben wurde:
"Mit der Kandidatur von Christian Schmidt als neuer Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina ergreift Deutschland die Initiative, das Land wieder verstärkt auf die internationale politische Agenda zu bringen. Die Bundesregierung hat ein großes Interesse an der Entwicklung von Bosnien und Herzegowina und unterstützt die perspektivische Mitgliedschaft des Landes in der Europäischen Union."
Nach Angaben des Auswärtigen Amtes habe sich Schmidt "seit den frühen 90er Jahren als außenpolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe und von 2002 bis 2005 als verteidigungspolitischer Sprecher der CDU-/CSU-Fraktion mit dem Westlichen Balkan und insbesondere mit dem Krieg in Bosnien und Herzegowina befasst". Demnach habe er in der Region in der Vergangenheit mehrfach "für die Bundesregierung in schwierigen Situationen vermittelt".
Der ehemalige Hohe Repräsentant Christian Schwarz-Schilling hatte vor wenigen Monaten in einem Gastkommentar bei der Deutschen Welle Schmidts Kandidatur als "neue Hoffnung" für das Westbalkanland bezeichnet. Mit seiner Kandidatur solle das Büro des Hohen Repräsentanten in Bosnien-Herzegowina "mit neuen Kräften und mit einer neuen Politik der Internationalen Gemeinschaft" wieder Einfluss im Land bekommen.
Das Friedensabkommen von Dayton, benannt nach der Stadt Dayton im US-Bundesstaat Ohio, auf dessen Militärstützpunkt das Abkommen 1995 unterschrieben worden war, beendete den blutigen ethnischen Krieg zwischen Bosniaken, Serben und Kroaten. Als Teil der Vereinbarungen wurde das Amt des Hohen Repräsentanten geschaffen.
Dieser soll den Friedensprozess und den Wiederaufbau begleiten und unterstützen. Doch er kann auch in das politische Geschehen eingreifen, Gesetze erlassen und aufheben sowie Politiker aus dem Amt entfernen.
Auch mehr als 25 Jahre nach dem Ende des Krieges kämpft das Land mit offiziell 3,3 Millionen Einwohnern mit zahlreichen Problemen: hoher Arbeitslosigkeit, Abwanderung junger und gut ausgebildeter Menschen, Korruption, Vetternwirtschaft und einer schlechten wirtschaftlichen Lage. Allein in den vergangenen fünf Jahren sollen nach Schätzung verschiedener Organisationen rund 300.000 Menschen das Land verlassen haben.
Der Westbalkanstaat hat zudem ein äußerst komplexes politisches System. Bosnien-Herzegowina, in dem nach offiziellen Angaben 50 Prozent Bosniaken, 31 Prozent Serben und rund 15 Prozent Kroaten leben, besteht aus zwei Entitäten und einem Distrikt Brčko. Der serbische Teil des Landes, Republika Srpska, sowie die Entität Föderation Bosnien-Herzegowina, in der vorwiegend Bosniaken und Kroaten leben, haben jeweils eigene Präsidenten und Parlamente. Die politische Landschaft wird vor allem von ethno-nationalistischen Parteien dominiert, die sich gegenseitig blockieren.
Die EU-Annäherung wird von allen drei Volksgruppen unterstützt, doch die bosnischen Serben sind bislang gegen eine NATO-Mitgliedschaft gewesen. Mit der Wahl von Joe Biden zum neuen US-Präsidenten wurde vor allem seitens der Bosniaken wieder mehr Initiative der USA auf dem Westbalkan gefordert. Demnach soll Washington zusammen mit der EU "die politischen und wirtschaftlichen Reformen" in Bosnien-Herzegowina vorabtreiben, hieß es zuletzt öfter aus Sarajewo. Die politischen Vertreter der bosnischen Serben hatten wiederum in den vergangenen Jahren immer wieder mit Abspaltung gedroht.
Der Vertreter der bosnischen Serben im dreiköpfigen Präsidium, Milorad Dodik, nannte den Rücktritt des Österreichers Inzko einen "Bluff internationaler Gemeinschaft, der durchgeführt wurde, um einen anderen an diese Position zu bringen". Er sprach sich gegen Schmidts Ernennung aus. Zuletzt hatte Dodik auch die Abschaffung des Amtes gefordert, "weil es für ihn unverständlich ist, dass Ausländer über das Schicksal Bosnien-Herzegowinas entscheiden". Die Vertreter der anderen zwei Volksgruppen begrüßten wiederum Schmidts Ernennung.
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