Das Spiel ums CO2 ist komplex und genauso undurchsichtig. Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten Ende vergangenen Jahres eine Erhöhung des EU-Klimazieles für 2030 beschlossen. Das Ziel ist es, die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um 55 Prozent zu senken. Von der Leyens Vorstoß soll ab Juli verbindlicher Bestandteil des EU-Klimaschutzpaketes werden. Zwölf Gesetze sollen die Treibhausgasemissionen reduzieren – in der gesamten EU.
In Deutschland gilt für Verkehr und Gebäude seit Januar ein CO2-Preis von derzeit 25 Euro je Tonne. Über den CO2-Preis soll ein künftiger nationaler Emissionshandel gesteuert werden. Der europäische Emissionshandel für die Sektoren Energie und Industrie existiert daneben seit 2005.
Und so funktioniert er: Eine Obergrenze legt fest, wie viel Treibhausgas unter den 31 Ländern (28 EU-Länder sowie Island, Liechtenstein und Norwegen) insgesamt ausgestoßen werden darf. Innerhalb dieser Obergrenzen erhalten oder kaufen Unternehmen aus den Bereichen Energiewirtschaft, Industrie und Luftfahrt Emissionszertifikate. Reduziert das Unternehmen seine Emissionen, so kann es die Zertifikate für künftige Zwecke verwenden oder weiterverkaufen. Wenn ein Unternehmen am Jahresende nicht genügend Zertifikate für seine Emissionen vorlegt, drohen Strafgebühren.
Diesen Handel mit den Zertifikaten können sich ärmere Länder in Europa aber kaum leisten. Umweltverbände haben sich gegen den europaweiten Emissionshandel in den Sektoren Verkehr und Gebäude ausgesprochen. Also wurden Ausnahmen eingeführt: Bulgarien, das ärmste Land der EU, darf seine Emissionen bis 2020 etwa um 20 Prozent ausweiten, Rumänien um 19 Prozent. Auch Polen darf sich ein 14-prozentiges Plus erlauben. Die Überschüsse in der Klimabilanz, gemessen in Millionen Tonnen CO2, lassen sich ausgleichen. Es fließt also Geld nach Sofia, Bukarest oder Warschau. Berlin kann sich von seinen Versäumnissen via Zertifikat freikaufen.
Nicht nur Umweltverbände bemerken hier eine verdeckte Gefahr. Die deutsche Wirtschaft sieht den CO2-Handel ebenfalls kritisch. Jörg Rothermel vom Verband der Chemischen Industrie (VCI) sagte dem Handelsblatt: "Es ist klar, dass eine Erhöhung des EU-Klimazieles für 2030 zu einer Verschärfung der Bedingungen des Emissionshandels führt." Damit würden Zertifikate knapp und teurer.
Auch Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, warnt: "Bereits bei den bestehenden Regelungen im EU-Emissionsrechtehandel müssen die Stahlunternehmen rund 20 Prozent der Zertifikate erwerben, um ihre Emissionen auszugleichen. Dies ist bis zum Ende der Handelsperiode im Jahr 2030 mit Kosten in Milliardenhöhe verbunden." Und die reicht die Industrie an den Kunden weiter.
Wie sich bei Gebäuden und Verkehr die Bepreisung auswirkt, sehen viele Mieter in Deutschland. Weil etwa Heizöl und Erdgas durch die Steuer deutlich belastet werden, steigen die Heizkosten überall dort, wo eben mit Öl und Gas geheizt wird. Das kommt dann auf die ärmeren Länder in Europa ebenfalls zu.
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