Angesichts der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft rechnet Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wegen einer möglichen Falschaussage im Ibiza-Untersuchungsausschuss mit einer Anklage, nicht aber mit einer Verurteilung. "Nachdem hier auf 58 Seiten jedes Wort von mir auf die Waagschale gelegt wird, rechne ich durchaus mit einem Strafantrag, das ist richtig", sagte er der Kronen Zeitung.
Kurz betonte, er habe kein Fehlverhalten begangen und dem Parlament keine irreführenden Aussagen gemacht: "Ich kann Ihnen nur noch einmal sagen, dass ich ein reines Gewissen habe. Meine Aussagen im U-Ausschuss sind richtig und insofern sehe ich dem Ganzen sehr gelassen entgegen." Er fügte hinzu:
"Ich habe aber erstens im U-Ausschuss nicht die Unwahrheit gesagt und zweitens schon gar nicht vorsätzlich."
Im Fall einer Anklage will er nach bisherigen Aussagen im Amt bleiben. Der 34-Jährige sagte, er habe mit zahlreichen Juristen und mehreren Universitätsprofessoren gesprochen. Keiner könne sich vorstellen, dass es zu einer Verurteilung komme, so Kurz weiter.
"Ich kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass man in einem Land wie Österreich für etwas, was man nicht getan hat, verurteilt wird."
Kurz beschwerte sich im Interview mit der Kronen Zeitung auch über die Vorgehensweise im U-Ausschuss: "Das war eine vierstündige Befragung, extrem hitzig, in einer aggressiven Art und Weise geführt, mit Zwischenrufen, Unterstellungen, Suggestivfragen, Schachtelsätzen, Wortklaubereien, die nur ein Ziel hatten, nämlich mich in widersprüchliche Aussagen zu verstricken." Einen Anwalt habe er nicht.
Der Ibiza-Untersuchungsausschuss beleuchtet mutmaßliche Bevorteilungen und den etwaigen Einfluss von Parteispenden auf politische Entscheidungen zur Zeit der Regierung von ÖVP und rechter FPÖ, die von Dezember 2017 bis Mai 2019 im Amt war. Laut der Anzeige der liberalen Neos haben der Kanzler und sein Kabinettschef im Ausschuss bestritten, dass es politische Absprachen bei der Berufung des Kurz-Vertrauten Thomas Schmid als Chef der Staatsholding ÖBAG gegeben habe. Chatprotokolle würden aber das Gegenteil beweisen.
Die Ibiza-Affäre hat Österreich vor zwei Jahren erschüttert. Zum großen politischen Skandal kam es im Mai 2019, als deutsche Medien Aufnahmen des damaligen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache und des FPÖ-Klubobmanns Johann Gudenus von einem zwielichtigen privaten Treffen auf Ibiza mit einer angeblichen Nichte eines russischen Oligarchen veröffentlichten. Die Aufnahmen sind bereits im Jahr 2017 entstanden, lange bevor Strache sein Amt antrat. Die vermeintliche Oligarchennichte, die Berichten zufolge eine bosnische Studentin war, soll rund 7.000 Euro erhalten haben und ist danach verschwunden. Ein weiterer Mann, der vorgab, ihr Mitarbeiter zu sein, wurde im vergangenen Dezember in Deutschland festgenommen.
Die Enthüllung führte zum Sturz der ersten Kurz-Regierung, er konnte die Macht jedoch durch eine Koalition mit den Grünen wiedererlangen. Mit einer Entscheidung der Justiz, ob es zu einer Anklage kommt, wird erst in einigen Monaten gerechnet.
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