von Marinko Učur, Banja Luka, Andrićgrad
Die Vergabe der höchsten Literaturauszeichnung der Welt an Peter Handke im Jahr 2019 war ebenso umstritten wie seine aktuelle Reise. Denn der Literat hatte sich während der Jugoslawienkriege (1991-1999) und danach mit der serbischen Seite solidarisiert. Nach Ansicht von Kritikern bagatellisierte oder leugnete er die von Serben begangenen Kriegsverbrechen. In seiner Stockholmer Nobelpreis-Rede ging er auf die Vorwürfe nicht ein.
Seine Reise führte ihn zunächst am Freitag nach Banja Luka, Hauptstadt der bosnischen Republika Srpska (RS). Dort wurde er wie ein hoher Staatsgast empfangen. Unter anderem traf er mit Milorad Dodik zusammen, der die Politik der Serbenrepublik mitbestimmt und als serbischer Vertreter im bosnischen Staatspräsidium sitzt. RS-Präsidentin Željka Cvijanović zeichnete Handke für seine Arbeit und Verdienste auf dem Gebiet der kulturellen und geistigen Entwicklung mit dem höchsten Orden der Republika Srpska aus.
Verleihung des Ordens der Republika Srpska in Banja Luka:
Bosnien-Herzegowina ist seit dem Krieg 1992-1995 in die RS und in die Föderation Bosnien und Herzegowina (BiH) unterteilt, in der vor allem Bosniaken und Kroaten leben.
In Banja Luka erklärte Handke, dass er beschlossen habe, "trotz des starken Gegenwindes in die Republika Srpska zu kommen".
"Ich bin froh, hier zu sein. Das ist ein großer Augenblick für mich", erklärte er weiter.
Bosnische Verbände reagieren empört
Bosnische Verbände hatten zuvor gefordert, den österreichischen Schriftsteller zur "Persona non grata" zu erklären. Die Vereinigung "Mütter von Srebrenica" hatte 2019 bereits an das Nobelpreiskomitee appelliert, seine Entscheidung über die Verleihung des Literaturnobelpreises wegen Handkes Leugnung der von serbischer Seite während des Bürgerkriegs begangenen Verbrechen zurückzuziehen. Bosnisch-serbische Truppen werden für ein Massaker an mehr als 8.000 Männern und Jungen in der ostbosnischen Enklave Srebrenica im Juli 1995 verantwortlich gemacht.
Über Handkes Reise in die Serbenrepublik zeigten sich die bosnischen Opferverbände entsetzt. "Bei diesem Besuch stellt sich die Frage, inwiefern da nicht Verbrechen zelebriert und glorifiziert werden", erklärte Emir Suljagić, der Leiter des Gedenkzentrums in Srebrenica, gegenüber dem Internet-Portal slobodnaevropa.org. Diese Verbrechen seien im Namen einer nationalistischen Ideologie begangen worden, die auf der serbischen Seite "leider nie besiegt und überwunden wurde", fügte er hinzu.
Während Handke in örtlichen Medien der BiH als "Genozidleugner" bezeichnet wird, trifft er in Serbien auf große Bewunderung. Einige seiner Bücher sind dort seit Monaten absolute Bestseller, wie zum Beispiel "Gerechtigkeit für Serbien" und "Die morawische Nacht".
Wir sehr der Schriftsteller polarisiert, spiegelte sich auch in den sozialen Medien wider. Insbesondere die Einweihung eines Denkmals für Handke mitten im Stadtzentrum während seines Aufenthalts in Banja Luka sorgte für Gesprächsstoff.
Während einige Twitter-User forderten, in jeder größeren Siedlung der Republika Srpska Straßen oder Plätze nach Handke zu benennen und seine Werke im Schulunterricht zu behandeln, sprachen lokale Medien in BiH von einer "weiteren schändlichen Tat". "Sie stellen unsere Geduld wirklich auf die Probe", kommentierte ein Nutzer die Denkmaleinweihung für den "Genozidleugner".
Auszeichnung mit Literaturpreis und Orden von Serbiens Präsident
Handkes Buch "Das zweite Schwert: Eine Maigeschichte" wurde 2020 zum besten literarischen Erfolg in serbischer Sprache erklärt. Aus diesem Grund wurde der 78-Jährige ebenfalls am Freitag in der ostbosnischen Stadt Višegrad vom Filmregisseur Emir Kusturica mit dem "Großen Ivo-Andrić-Preis" ausgezeichnet. Die Verleihung fand im Stadtviertel Andrićgrad statt, benannt nach dem Dichter und Literaturnobelpreisträger Ivo Andrić. "Es ist das erste Mal, dass mit Handke ein Nobelpreisträger Andrićgrad besucht, die dem Nobelpreisträger Andrić gewidmet ist", erklärte Kusturica.
Peter Handke wird in Andrićgrad von Emir Kusturica in Empfang genommen:
Am Sonntagabend wurde Handke dann in Belgrad in der Kanzlei des serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić empfangen. Dort erhielt der in Paris lebende Österreicher den Karađorđe-Orden für seine "außergewöhnlichen Verdienste bei der Darstellung Serbiens in öffentlichen und kulturellen Aktivitäten" und der "persönlichen Beharrlichkeit in kompromissloser Verantwortung gegenüber der Wahrheit", wie Vučić begründete.
Vučić hatte ihm die höchste staatliche Auszeichnung Serbiens bereits im Vorjahr zuerkannt. Handke war es damals nicht möglich, nach Belgrad zu reisen.
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(mit dpa)